In ihrer Mitgliederversammlung vom 18.11.2021 wählte die Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte einen neuen Vorstand. In der unmittelbar anschließenden Vorstandssitzung wurden der Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen, Dr. Sebastian Kranich, als Vorstandsvorsitzender und die Leiterin des Landeskirchenarchivs der Ev. Kirche in Mitteldeutschland, Christina Neuß, als seine Stellvertreterin benannt.
Die Mitglieder dankten Dr. Thomas A. Seidel für seinen über zwanzigjährigen Einsatz für den Verein und somit für die Pflege territorialkirchengeschichtlicher Forschung und Bildung in Thüringen.
Dr. Sebastian Kranich betonte, dass Dr. Seidel sich mit diesem Engagement seit dem Jahre 2000 weit über Thüringen hinaus große Anerkennung bei kirchenhistorischen Profis und Laien erworben habe.
Verbunden mit seinem Dank für die Wahl sagte er: „Ich begreife es als eine große Ehre und eine spannende Herausforderung, dass ich diesen Staffelstab übernehmen darf. Wie unter dem Direktorat von Thomas A. Seidel rücken Akademie und Geschichtsverein zu beiderseitigem Nutzen zusammen.“
Kranichs Forschungsschwerpunkte sind die Rezeption der Reformation sowie der Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert. Eingehend befasst hat er sich mit der Kirchengeschichte in Mitteldeutschland.
Bei Martin Luther war es anders: Als ungeübter Reiter kam der Augustinermönch am 4. Mai 1521 auf der Wartburg an. Besser reiten musste er in seiner Wartburgzeit erst noch lernen. Für ihn hieß es dann bei seinem Ritt inkognito nach Wittenberg: Hinauf aufs Ross. Doch blieb ihm die adlige Lebensweise eher fremd. Die Ritterkost vertrug er nicht und der Jagd konnte er nichts abgewinnen.
Am Anfang der Tagung „Alias Junker Jörg“ ließ sich viel historisch Detailliertes über Martin Luthers Zeit im „Reich der Vögel“ und zur aktuellen Debatte um die Datierung der ersten Darstellung des Reformators mit Bart – 1537 oder 1521? – erfahren.
Dann standen „der Adel“ bei Meister Eckart und die Legende vom heiligen Georg auf dem Programm. Der adlig geborene Eckart predigte, dass alle Menschen „edel“ seien und relativierte so die Standesprivilegien. Der wohltätige Drachentöter Georg wiederum wurde zur Chiffre einer humanistisch ausgelegten Ritterlichkeit.
Für den geistlichen Ritterorden der Johanniter galt schon im 11. Jahrhundert: „Die Kranken sind die Herren“. Was das für den Johanniterorden heute bedeutet, wurde im zweiten Teil der Tagung intensiv diskutiert. Auch gegenwärtig sind dessen Mitglieder eher Privilegierte, die sich ganz praktisch um Alte, Kranke und Kinder kümmern. Ihre Ritterschaft verstehen die Johanniter metaphorisch – wenn es um Waffen und Rüstung geht, so sind diese geistlich gemeint.
Das Engagement der Johanniter-Unfall-Hilfe, der Betrieb von Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten, Wohnprojekten zeugen von einem spezifisch christlichen Engagement in der Gesellschaft.
Am Ende der Tagung wurde klar: Zum nationalistischen Ritterbild des „Junker Jörg“, wie ihn das 19. und frühe 20. Jahrhundert sah und wie es etwa im Junker-Jörg-Jubiläum 1921 in Eisenach gezeichnet wurde, führt kein Weg zurück. Schon gar nicht in der Interpretation Luthers, wie sie der Liedermacher Stephan Krawczyk in seinem Programm „erdverbunden – luftvermählt“ bot.
Für die Johanniter heißt es auch heute: „Runter vom hohen Ross“. Entscheidend – auch für die Bruderschaft St. Georgs-Orden – bleibt die Zuwendung zu Gott und zum Mitmenschen. In diesem Sinne können die alten ritterlichen Tugenden Gerechtigkeit, Tapferkeit, Weisheit und Mäßigung neu gelebt werden.
Morgen jährt sich das Gedenken an die Novemberpogrome vor 83 Jahren. In der Nacht des 9. November 1938 wurden ca. 1400 Synagogen und Gebetshäuser beschädigt und zerstört. Tausende jüdische Menschen wurden gefangen genommen und viele ermordet. Das Pogrom war ein massiver Gewaltakt gegen die jüdische Kultur und Religion. Diese Tat wurde von den Deutschen Christen begrüßt. Viele nationalsozialistische Christen setzten sich darüber hinaus für eine sogenannte „Entjudung“ des Christentums ein. Neben Theologie, Liturgie und Kirchenmusik betraf dies auch die kirchlichen Kunst- und Bauwerke.
Die Vorträge auf der Tagung „Braunes Erbe“ von Dr. Jochen Birkenmeier und Michael Weise zur „Entjudung“ thüringischer Kirchen sowie von Pfarrer Ulrich Spengler zur deutschchristlichen St. Marienkirche in Bad Berka legten den Fokus auf die Umgestaltung des Kirchenraums im Nationalsozialismus.
Diese Umgestaltungen geschahen unsystematisch, nicht zeitgleich, und meist ohne große Öffentlichkeit. Zu sehr scheute man den Vorwurf einer unkontrollierten Bilderstürmerei oder den Widerspruch der Gemeinden, schildert Michael Weise.
Die St. Marienkirche wurde beispielsweise bereits 1934 im Zuge einer Restaurierung und Renovierung umgestaltet. Der zuständige Pfarrer Rudolf Heubel brüstete sich damit, dass St. Marien damit die erste deutschchristliche Kirche in Thüringen sei. An der Orgelempore prangte nun der Spruch der Deutschen Christen: „Unser Auftrag ist Deutschland, unsere Kraft ist Christus“. Es wurde ein Lüftungsgitter aus Hakenkreuzen installiert und eine Hakenkreuzfahne hinter den Altar gehängt. Gleichzeitig ersetzte man den Gottesnamen in hebräischen Lettern (יהוה= JHWH) durch das Kreuz der Deutschen Christen und arisierte die Emporenbilder. Sie zeigten nun ein blondes und blauäugiges Jesuskind.
Nicht in allen Kirchenräumen wurde so schnell eine Umgestaltung vorgenommen. Bis 1939 hatte die „Entjudung“ des Kirchenbaus nicht überall Priorität, sondern vielmehr die neue völkische Theologie und Liturgie. Auch gab es keine einheitlichen Richtlinien dafür, wie mit jüdischen und alttestamentarischen Symbolen und Bildern umgegangen werden sollte. Das im Mai 1939 gegründete „Entjudungsinstitut“ in Eisenach sollte sich dieser Frage annehmen. Aus der Eisenacher Georgenkirche wurden schließlich auch alttestamentarische Sprüche und Bilder entfernt. Eine allgemeingültige Systematik schuf das Institut aber nie, wie Dr. Birkenmeier feststellte. Dennoch: Die vorgenommenen Umgestaltungen waren Teil einer antijüdischen und antisemitischen Haltung der christlichen Akteure. Die entstandenen Schäden können nicht mehr vollständig nachvollzogen oder rückgängig gemacht werden. Ulrich Spengler skizzierte in seinem Vortrag, wie holprig der Umgang mit der NS-Umgestaltung in der Bad Berkaer Kirche verlief. Erst durch seine Initiative ab dem Jahr 2008 wurde der Gottesname wieder in die Kirche zurückgebracht. Das Hakenkreuzgitter verließ endgültig die Kirche und wanderte ins Museum nach Eisenach.
Erfurt war am schnellsten. Kurz nach dem Erscheinen stellte Klaus Holz sein mit Thomas Haury verfasstes Buch „Antisemitismus gegen Israel“ bei Topf & Söhne erstmals vor. Am Abend des 28. Oktober waren erfreulich viele und erfreulich viele junge Menschen gekommen. Dort, wo einst die Öfen für Auschwitz gebaut wurden, sei genau der richtige Ort für diese Premiere, so Klaus Holz zu Beginn. Drei Grunderkenntnisse seines Buches präsentierte der Autor zunächst:
Erstens gab es Antisemitismus gegen Israel schon weit vor der Gründung des Staates Israel. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts existierte die Idee, die Juden nach Kanaan zu vertreiben, in der Hoffnung, sie würden dort zusammenbrechen.
Zweitens veränderte sich nach dem Holocaust der Antisemitismus. Es kam zur Täter-Opfer Umkehr, um die Juden weiter als „Feind“ sehen zu können. So wurde etwa in der DDR-Propaganda die gegenwärtige Politik Israels systematisch mit der Politik und den Verbrechen Nazideutschlands gleichgesetzt. Dabei wurde Antisemitismus verschleiert. Es hieß nun nicht mehr „Du Jude“, sondern „Der Zionismus“, so Klaus Holz.
Drittens agiert die Neue Rechte in Deutschland und in der ganzen Welt weniger offensichtlich gegen Israel oder die Juden. Doch im Ideologem des „großen Austauschs“ werden Juden wie George Soros von Viktor Orbán als Hintermänner eines individualistischen, hedonistischen und letztlich „jüdischen“ Liberalismus markiert, der zu bekämpfen sei.
Im Gespräch mit Henry Bernhard ging es anschließend u.a. darum, warum immer die Juden Ziel von Hass und Ausgrenzung seien. Klaus Holz verwies auf die Genese des Christentums als eine „das Judentum überwindende Religion“. Schon immer arbeite sich das Christentum am Judentum ab.
Warum wurde der Holocaust in Deutschland bereits ab 1945 relativiert? Klaus Holz griff in seiner Antwort auf Theodor W. Adornos Erklärung zurück: Die subjektive Leiderfahrung durch Krieg und Zerstörung verhinderte die volle Anerkennung eigener Täterschaft.
Des Weiteren stellte Bernhard die Frage, ob es heutzutage verschiedene Rezepte gegen die unterschiedlichen Ausprägungen des Antisemitismus brauche. Klaus Holz bejahte diese Frage. Denn der Antisemitismus muslimischer Jugendlicher oder der Neuen Rechten unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Argumentationsstruktur.
Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei das Buch von Klaus Holz und Thomas Haury empfohlen. Etliche Exemplare fanden bereits ihre Käufer:innen bei dieser Kooperationsveranstaltung von Geschichtsmuseum Erinnerungsort Topf & Söhne, Evangelischer Akademie Thüringen und Landeszentrale für politische Bildung im Rahmen der Thüringer Tage der jüdisch-israelischen Kultur.
Als die Landeszentrale für politische Bildung und die Evangelische Akademie Thüringen vor über einem Jahr in die Planung für einen Fachtag zum Ländlichen Raum gingen, war es ein Versuch mit offenen Fragen: Wird das Thema aktuell jemanden interessieren? Werden Fachleute und Aktive kommen? Wenn ja, was erwarten sie von einer solchen Veranstaltung? Wird es uns gelingen, ein Programm zu stricken, das den produktiven Austausch unter den Teilnehmenden fördert und gleichzeitig informativ ist?
Die Resonanz am vergangenen Donnerstag, 21. Oktober, war groß und hat gezeigt: Es ist nicht nur überaus wichtig, ländliche Räume mit ihren Potentialen, aber auch ihren Problemen in den Blick zu nehmen; vielmehr ist der Bedarf nach Vernetzung enorm. Man möchte von anderen Einrichtungen, Projektleitenden und Förderstellen wissen, möchte erfahren, was derzeit gut funktioniert oder wo es hakt, und Akteure kennenlernen, um eventuell in Zukunft zu kooperieren. All das war möglich beim Fachtag Ländlicher Raum mit dem Untertitel Handlungsraum zwischen Tradition, Resignation und Gestaltungswillen im Zinzendorfhaus Neudietendorf, zu dem knapp 40 Personen aus den unterschiedlichsten Institutionen über ganz Thüringen verteilt angereist waren.
Im Auftaktvortrag sprach Dr. Maria Frölich-Kulik von der Bauhaus-Universität Weimar über die Schwierigkeit, ländliche und städtische Strukturen abzugrenzen. Alternativ zur oft nicht mehr passenden Dichotomie Stadt-Land bot sie „rurbane“ Perspektiven auf Landschaften. Anschließend stellten Yvonne Andrä und Stefan Petermann ein künstlerisches Projekt vor, in dem sie kleinste Ortschaften Thüringens bereisten und porträtierten. Dabei war insbesondere die Eigenwahrnehmung der Dorfbewohner:innen und ihre Selbstwirksamkeit vor Ort von Interesse.
Nachmittags erfuhren die Teilnehmenden in zwei Workshoprunden von konkreten Projektdurchführungen und konnten diese im kleineren Kreis mit den Referierenden diskutieren: Carsten Passin blickte auf das zweijährige Modellprojekt „Spindestuben in der Dübener Heide“ zurück, Jürgen und Sylvia Hahn berichteten aus Nöbdenitz vom Erprobungsraum „Wir sind Nachbarn“ und Lea Hinze von der Lebensgemeinschaft Schloss Tonndorf erzählte über den Aufbau eines regionalen ökosozialen Netzwerks.
Bei der gemeinsamen Auswertung ergab sich ein starkes Votum für eine Fortsetzung im nächsten Jahr, mit noch mehr Zeit für Austausch untereinander und einem Fokus auf Fragen der Generationenbeteiligung. So beschlossen Ursula Nirsberger von der LZT und Studienleiterin Sabine Zubarik noch am selben Tag: Wir bleiben dran am Thema!
„Demokratie ergibt sich nicht naturwüchsig“, stellte der Soziologe Jürgen Habermas fest. Sich dafür stark zu machen, Demokratielernen in jeden Bildungskontext und viele Lebensbereiche zu tragen, ist daher eine zentrale Aufgabe, der sich viele Bildungsträger in Thüringen seit Langem widmen. Im Projekt Thüringen 19_19 beispielsweise wurden anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Weimarer Republik mit Schulen, Kindergärten, Bildungs- und Gedenkstätten Lernorte der Demokratie entwickelt. Nun hat sich Anfang des Jahres mit Partnerinnen aus diesem Projekt und neu Hinzugekommenen das Netzwerk „Demokratiebildung in Thüringen“ gegründet. Seit der vergangenen Woche ist die Evangelische Akademie Thüringen offiziell Mitglied dieses Netzwerkes, in dem z. B. auch die Europäische Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar, das Eine Welt Netzwerk Thüringen e. V. oder das Bildungswerk BLITZ e.V. vertreten sind. Getragen wird es von VereinT Zukunft Bilden.
Lobbyarbeit für Demokratiebildung in förder- und bildungspolitischen Diskursen, gemeinsame Projekte und die Förderung von Diversität in der politischen Bildung sind einige Ziele, die sich das Netzwerk gesetzt hat. In der Evangelischen Akademie freuen wir uns darauf, uns einbringen zu können!
Interessierte, die dem Netzwerk beitreten möchten, können sich unter der folgenden E-Mail-Adresse melden: netzwerk@demokratiebildung-thueringen.de