Ein Söderblom-Denkmal auf dem Hainstein?

Bitte Tor schließen wegen der Wildschweine. Betritt man nach dem Lesen dieses Schilds das Gelände des Hotels Hainstein über den zum Wartburgwald gelegenen Eingang, so bekommt man zwar keine Schwarzkittel zu Gesicht. Dafür schreitet einem Nathan Söderblom fröhlich lächelnd und beschwingt entgegen, das Bischofskreuz locker unter dem offenen kurzen Mantel. Doch was hat ein Denkmal für Nathan Söderblom, dem Schwedenbischof, dem Religionswissenschaftler, dem großen Ökumeniker, dem Friedensnobelpreisträger von 1930 auf dem Hainstein in Eisenach zu suchen?
Antwort darauf gaben zwei Vorträge, die am 28. Oktober im Rahmen der Festwoche „100 Jahre Haus Hainstein“ gehalten wurden. Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich erläuterte die historische Sonderstellung Schwedens für die deutschen Protestanten, eine Stellung, die bis in den 30-jährigen Krieg zurückreicht, im 19. Jahrhundert in den Gustav-Adolph-Vereinen weiter tradiert wurde und im – und vor allem nach dem 1. Weltkrieg – neue Aktualität gewann.
Eine, wenn nicht die zentrale Gestalt dafür zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Nathan Söderblom, der vor Kriegsbeginn an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig lehrte und dann als schwedischer Erzbischof berühmt wurde für sein Engagement für Frieden, Versöhnung und Ökumene. Söderblom kultivierte die schwedisch-deutsche Verbindung in der Zeit der Isolation Deutschlands nach dem Krieg und ermöglichte zugleich eine Brücke in die Welt der Ökumene und der Staatengemeinschaft des entstehenden Völkerbunds. So wurde von deutscher Seite etwa gewürdigt, dass Söderblom aus dem Lande Gustav Adolphs komme, der „Retters des deutschen Protestantismus und Märtyrers für unseren gemeinsamen Glauben.“
Die schwedische Bischofskonferenz wiederum erließ anlässlich des 500. Jubiläums des Wormser Reichstags-Jubiläums von 1521 eine Kundgebung, in der Luthers verweigerter Widerruf bezeichnet wurde als: „einer der größten Tage in den Jahrbüchern der gesamten Menschheit.“ Und als französische Truppen im Januar 1923 das Ruhrgebiet besetzten, verurteilte zuerst das schwedische Episkopat unter Söderblom die französische Gewaltpolitik in einem Schreiben – man beachte die Adressaten – an die Mitchristen aller Länder, an den US-Präsidenten, den französischen Präsidenten, an den Kardinal von Paris und den Erzbischof von Canterbury.
Doch was hat der Hainstein damit zu tun? Als man in Eisenach befürchtete, die Katholiken würden das ab 1922 in ein Hotel umgewandelte, 1888 erbaute Sanatorium am Fuße der Wartburg, aus dem Besitz der Familie des katholischen Majors Greisbacher erwerben – und zwar ein Konsortium mit dem Bischof von Fulda an der Spitze – oder schlimmer noch – ein Konsortium der Jesuiten, da engagierte sich für deren Erwerb ideell und materiell. In kürzester Zeit hatte Söderblom 52 000 Goldmark zusammen und organisierte, unterstützt vom Industriellen Alfred Ekström, noch weitere Mittel. Auch an der konzeptionellen Ausrichtung der hier entstehenden Bildungseinrichtung beteiligte er sich.
Nach Söderbloms Tod 1931 wurde der Auftrag für ein Denkmal auf dem Hainstein an Paul Birr vergeben. Birr hatte, wie Pfarrerin Dr. Susanne Böhm im Anschluss ausführte, über Jahre für den schwedischen Industriellen Alfred Ekström gearbeitet und war dann für den gesamten Umbau des Hainstein verantwortlich gewesen. Die Referentin führte ihn als eher konventionellen, handwerklich geschickten Künstler der 1920er und 1930er Jahre vor Augen. Seine monumentalen Kriegerdenkmale und teils antisemitische Bildsprache wollen nicht recht zum freundlich-offenen Söderblom-Denkmal passen. Doch konnte Susanne Böhm hier überzeugend darlegen, dass Birr in der Gestaltung stark auf die Auftraggeber einging, die ein natürliches, lebensnahes Denkmal des Geehrten wollten und so etwa fröhliche Gesichtszüge anmahnten. Bei dessen Einweihung 1933 passte Söderblom schon nicht mehr in den Geist der Zeit; die Nationalsozialisten und die Deutschen Christen ergriffen die Macht.
Wie letztere zu Schweden und zu Nathan Söderblom standen, zeigen zwei bezeichnende Äußerungen, die Sebastian Kranich zitierte. In einem Schreiben des Thüringer Landeskirchenrats an die Pfarrer von 1935 wird Schweden als Paradebeispiel einer „christlichen Nationalkirche“ genannt. Das Prinzip der „nationalen Abgrenzung“, werde dort „als ganz besonders erfreulich gefeiert.“
In einer Stellungnahme des Landeskirchenrates zur deutschen Erziehungs- und Schulfrage von 1936 hieße es hingegen: „Nach dem Kriege kam der protestantische Schwedenbischof Söderblom und machte den Versuch, sogar alle Christentümer der Erde in eine Front gegen die nichtchristliche, bolschewistische Welt zu bringen; groß und kühn gemeint, aber im Grunde zu politisch-weltimperialistisch nach Roms Muster gedacht, dadurch gefährlich in die Brüche gehend.“
Keine 10 Jahre später war etwas ganz anderes in die Brüche gegangen. Nicht aber der derartig verzeichnete ökumenische Gedanke.
Veröffentlicht am 30. Oktober 2024