Schiller hätte sich vermutlich gefreut...
Passend zum Veranstaltungsort drehten sich einige Beiträge auch um Schiller und seine Schriften. Foto: (c) Zubarik/EAT Ein schöner Ort für literarische Gespräche: der Garten des Schillerhauses in Rudolstadt. Foto: (c) Zubarik/EAT
Literarische Salons sind eine gute Tradition; auch zu Schillers Zeiten hat man sie gepflegt und nicht zuletzt für weibliche Literatinnen gehörten die Salons zu den wenigen Orten, an denen sie ihre eigenen Werke präsentieren und ihre fachkundige Meinung äußern konnten. Auch in der Evangelischen Akademie Thüringen sind Literaturgespräche in kleiner Runde zur Tradition geworden – in den Sommermonaten vornehmlich in Gärten.
Bei der gestrigen Veranstaltung dieser Art in Rudolstadt war Schiller denn auch sehr präsent: im Garten des ihm gewidmeten Hauses saßen neun Personen zusammen, darunter auch der Leiter des Schillermuseums Christian Hofmann, und sprachen – nicht nur, aber doch umfänglich – über Schiller, seine Zeitgenossen und wiederkehrende Bezüge zu unserer aktuellen Tagespolitik.
Los ging die Buchvorstellungsrunde mit dem episodisch geschriebenen Titel „Fabelhafte Rebellen“ von Andrea Wulf (2022), der mit vielen Originalzitaten und Briefausschnitten Einblick in das Alltagsleben und kulturelle Geschehen um 1800 gibt und verbindende Punkte im Kreis um die Schlegel-Familie, Fichte und Schiller beschreibt. Diejenigen Anwesenden, die das 500-Seiten-Werk schon gelesen hatten, bestätigten: „Es schmökert sich gut weg“, die anderen wurden neugierig und planen die baldige Lektüre.
Ein Teilnehmer brachte die vielseitigen Talente von Schiller als Universalgelehrtem mit Leseeindrücken aus drei verschiedenen Schriften zu Gehör: die biographischen Skizzen „Als ich zu Goethe kam“ (1974) von Jutta Hecker (Ehrenbürgerin von Weimar), Schillers Roman „Der Geisterseher“, der in Venedig spielt und zwischen 1787 und 1789 als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift Thalia erschien, sowie dem lange Zeit zur Pflichtliteratur im Deutschunterricht gehörigen Gedicht „Das Lied von der Glocke“, das Schiller 1799 – auch mit Bezügen zu Rudolstadt – verfasste.
Der Reigen der Bücher beinhaltete weiterhin den Roman „Pfaueninsel“ von Thomas Hettche (2014) und damit zusammenhängend Michael Stoffregen-Büllers romanhafte Biographie „Der Sandwich-Insulaner“ (2019); beide beschäftigen sich mit dem 19. Jahrhundert als Zeit der Entdeckungen und des Sammelns, der Sehnsucht nach Exotik und der Zurichtung der Natur. Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818) wurde dabei auch gestreift.
Lokalen Bezug hatte der Lektürebeitrag zum 5. Band der Rudolstädter Schriften zur Geschichte des Rudolstadt-Festivals, „Das schönste Kind der Deutschen Einheit“ vom Autor Bernhard Hanneken. Politische Brisanz wiederum brachte Hendrik Cremers kürzlich erschienenes Buch „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen“ zum Ausdruck.
Wegen seiner sowohl sprachlichen als auch fachlichen Dichte wurde Jenny Erpenbecks Liebesgeschichte „Kairos“ (ausgezeichnet mit dem internationalen Booker-Preis 2024) gelobt. Als intensive und schockierende Lektüre wurde Alexander Solschenizyns mehrbändiger Titel „Der Archipel Gulag“ vorgestellt.
Den Abschluss machte eine Sammlung von Kurzgeschichten – Mythen, die in der DDR so nie passiert, aber so gut erzählt sind, dass sie genauso gut hätten wahr sein können: Es handelt sich um Jakob Heins „Antrag auf ständige Ausreise. Und andere Mythen der DDR“ (2007).
Der nächste Literarische Runde findet statt am 13. August im Garten des Zinzendorfhauses Neudietendorf. Noch gibt es freie Teilnahmeplätze. Ob Schillers Geist und Werk wieder mit von der Partie sein werden, sei dahingestellt. Man darf jedoch sicher gespannt sein, welche Lesefunde mitgebracht werden.
Veröffentlicht am 18. Juli 2024