Evangelische Akademie Thüringen

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„Ist lautes Schreien das Einfallstor für den demokratischen Diskurs?“

  • Nina Horaczek, Chefreporterin des FALTER aus Wien, referierte über die FPÖ als Vorläufer rechtspopulistischer Bewegungen in Europa und über deren Medienstrategie. Foto: ©EAT/Grooten
    Nina Horaczek, Chefreporterin des FALTER aus Wien, referierte über die FPÖ als Vorläufer rechtspopulistischer Bewegungen in Europa und über deren Medienstrategie. Foto: ©EAT/Grooten
  • Wie sieht die parallele Medienwelt des Rechtspopulismus in Deutschland aus? David Begrich von Miteinander e.V. aus Magdeburg gab einen Überblick. Foto: ©EAT/Grooten
    Wie sieht die parallele Medienwelt des Rechtspopulismus in Deutschland aus? David Begrich von Miteinander e.V. aus Magdeburg gab einen Überblick. Foto: ©EAT/Grooten
  • Streiten statt Pöbeln - Christian Schneider, Journalist und Content-Moderator beim MDR, gab einen Einblick in journalistische Arbeit. Im Workshop versuchten sich die Teilnehmenden an der Moderation von Nutzerkommentaren. Foto: © EAT/Grooten
    Streiten statt Pöbeln - Christian Schneider, Journalist und Content-Moderator beim MDR, gab einen Einblick in journalistische Arbeit. Im Workshop versuchten sich die Teilnehmenden an der Moderation von Nutzerkommentaren. Foto: © EAT/Grooten

Erstens: Bauen Sie eine eigene Medienwelt auf mit Zeitschriften, Online-Medien und dergleichen. Zweitens: Verbreiten Sie gezielt Falschmeldungen. Auch wenn diese schnell entkräftet werden, sind sie dennoch in der Welt und können Ängste schüren. Drittens: Schränken Sie die Pressefreiheit ein – zum Beispiel, indem Sie nur unkritischen Journalisten Interviews geben oder in ihrer Pressearbeit bewusst Fakten verzerren. Viertens: Beschimpfen Sie öffentlich ihre Gegner und machen Sie sie lächerlich. Fünftens: Neutralisieren Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Mit diesen fünf Schritten beschrieb Nina Horaczek, Chefreporterin des linksliberalen Wochenmagazins FALTER aus Wien, beim Fachtag „Skandalisiert und hochgeschrieben…“ am 19. Oktober in Weimar die Medienstrategie rechtspopulistischer Parteien. Sie verdeutlichte dies aus ihrer persönlichen Erfahrung als Journalistin in Österreich mit der FPÖ, aber auch anhand des Front National in Frankreich, der PiS-Partei in Polen oder der AfD in Deutschland. Wie sollen Journalistinnen und Journalisten mit politischen Parteien umgehen, die eine solche Strategie (in Teilen) verfolgen? Eine einfache Lösung kann es auf diese Frage nicht geben. Das machten die Vorträge und Diskussionen des Fachtags deutlich. Lautes Schreien könne nicht das Einfallstor für den demokratischen Diskurs sein, sagte Prof. Dr. Kai Hafez, Kommunikationswissenschaftler von der Universität Erfurt, in seinem Vortrag. Er forderte eine Rückbesinnung auf journalistische Ethik, eine Verbesserung der Ausbildung und die Überwindung ethnozentrischer Weltbilder, um Rechtspopulismus die Grundlage zu entziehen. Die Anderen oder die Fremden würden weltweit negativ dargestellt. Das mache es Rechtspopulisten leicht, diese Feindbilder aufzugreifen und als Ressource für ihren Aufstieg zu nutzen.
Trotz aller Kritik an den Medien machte der Fachtag deutlich, dass es sich bei der Bekämpfung von Rechtspopulismus um eine gesellschaftliche und keine journalistische Herausforderung handelt. „Parteien zu verhindern ist nicht unsere Aufgabe, sondern kritisch zu berichten,“ stellte Nina Horaczek klar. Zukunftsvisionen entwickeln, die eine attraktive Alternative zu den einfachen Lösungen der Populisten darstellen, guten, kritischen Journalismus wertschätzen und – auch finanziell – unterstützen, Raum für eine demokratische Streitkultur schaffen und dem Diskurs der Rechtspopulisten nicht hinterherlaufen, sondern eigene Themen setzen sind Aufgaben, denen sich Politik, Zivilgesellschaft und Medien gleichermaßen stellen sollten.

Weiterführende Links:

Beitrag bei @mediasres – Das Medienmagazin des Deutschalndfunk zum Fachtag

Sonderforschungsbereich Invektivität der TU Dresden