Evangelische Akademie Thüringen

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Mitbestimmung als Chance

Rund 300 Betriebs- und Personalräte kamen zur ersten Betriebsräte-Konferenz des Landes Sachsen-Anhalt in der Johanneskirche Magdeburg zusammen, um über Arbeitsbedingungen und Fachkräftesicherung zu sprechen. Foto: (c) Holger Lemme/EAT.
Rund 300 Betriebs- und Personalräte kamen zur ersten Betriebsräte-Konferenz des Landes Sachsen-Anhalt in der Johanneskirche Magdeburg zusammen, um über Arbeitsbedingungen und Fachkräftesicherung zu sprechen. Foto: (c) Holger Lemme/EAT.

Zum ersten Mal seit Gründung des Bundeslandes lud das Arbeitsministerium des Landes Sachsen-Anhalt zur Betriebsrätekonferenz ein. Und die Resonanz war groß: 300 Betriebsräte, Personalräte und Mitglieder von Mitarbeitervertretungen kamen. Denn es hat sich etwas verändert im Land. Plötzlich ist es nicht mehr das Gespenst der Arbeitslosigkeit, das die Menschen umtreibt (und Arbeitswillige zwingt, jeden Job zu welchen Bedingungen auch immer anzunehmen). Jetzt sind Arbeitskräfte gesucht, und immer mehr Menschen im Land haben eine Wahl bei Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Das wiederum motiviert die Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und daher sind nun auch die Positionen von Gewerkschaften und Mitarbeitervertretungen wieder diskutabel – denn sie wissen, was die Beschäftigten wollen, und was getan werden kann, um sie nach Sachsen-Anhalt zu locken, zurückzuholen oder zum Bleiben zu bewegen.

Ministerpräsident Rainer Haseloff sprach daher davon, dass gut bezahlte Jobs erhalten bleiben und Löhne steigen, zugleich aber auch die Bemühungen zur Vereinbarung von Familie und Beruf verstärkt werden sollten. Und seine Forderung gegenüber dem Bund, den Kohleausstieg mit einem staatlich finanzierten Strukturförderprogramm in den betroffenen Regionen zu koppeln, fällt in solchen Zeiten auf fruchtbaren Boden. Denn wenn Fachkräfte zunehmend schwerer zu finden seien, wäre es volkwirtschaftlicher Unsinn, die Beschäftigten im Kohlebergbau im Regen stehen zu lassen, anstelle sie für neue Aufgaben zu qualifizieren.

Aus den Reihen der Arbeitnehmenden wurde indes die Forderung nach besser begrenzten Arbeitszeiten laut. Denn durch die verbreitete Arbeitsverdichtung – aufgrund von Personalengpässen, aber auch den Anforderungen des digitalen Wandels – sei es an der Zeit, dass die Beschäftigten an den Früchten ihrer Arbeit angemessenen Anteil bekämen: weniger Sonntagsarbeit, mehr Zeitsouveränität, Gesundheitsorientierung und höhere Löhne (besonders im Niedriglohnbereich). Gute Arbeit sei ein Wettbewerbsvorteil bei der Fachkräftesicherung, sagte Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne, den es strategisch auszubauen gelte. Mitbestimmung und Tarifpartnerschaft seien hohe Güter, die in Deutschland geholfen hatten, die soziale Marktwirtschaft zu entwickeln und zur Blüte zu führen. Insofern war es folgerichtig, dass sich die Mehrheit der Anwesenden dafür aussprach, bei einer Neuauflage der Konferenz – die die Ministerin in Aussicht gestellt hat – ebenfalls die Arbeitgeber einzuladen.