Evangelische Akademie Thüringen

‹ alle Blogartikel anzeigen

Ritterlich Ringen – Theologie und Politik des Junker Jörg

Notgeld Eisenach 1921 (50 Pfennig): Junker Jörg übersetzt das Neue Testament
Notgeld Eisenach 1921 (50 Pfennig): Junker Jörg übersetzt das Neue Testament

500 Jahre nach der Ankunft Martin Luthers auf der Eisenacher Wartburg hat die Evangelische Akademie Thüringen zwei diesbezügliche Veranstaltungen im Jahresprogramm: „Codename: Junker Jörg – Ein Adventure Game rund um die Wartburg“ vom 2. bis 4. Juli und „Alias Junker Jörg – Protestantismus und Ritterlichkeit“ vom 12. bis 14. November.

Ein Zufall ist es nicht, dass Martin Luther den Tarnnamen Junker Jörg trug. Denn der Heilige Georg war zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein populärer Heiliger. Oft war ihm Luther in seiner Jugend begegnet: Sein Vater Hans Luder war Mitglied der wohltätigen Georgs-Bruderschaft, als Student wohnte Luther in der Erfurter Georgenburse; St. Georg war der Schutzpatron der Mansfelder Grafen ebenso wie der Schutzpatron Eisenachs. St. Georg war der Inbegriff des „christlichen Ritters“.

Diese Namenswahl war kein Zufall. Zu vieles spricht für dieses Pseudonym. Allerdings: Ob Luther jene Wahl selbst traf, bleibt im Dunkel der Geschichte. Doch ist „Junker Jörg“ offenbar mehr als ein Tarnname gewesen. Denn dieser Name erlaubte es, Luther als Kämpfer zu sehen.

Zeitlebens blieb Luther die Legende vom Drachenkämpfer Georg sympathisch. Der Politikwissenschaftler Prof. Klaus Dicke weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Luther christliches Leben überhaupt als Kampf, Anfechtung und Ringen beschrieben hat. Ein prägnantes Beispiel dafür ist: Luther dichtete als dritte Strophe des Pfingsthymnus „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“:

„O Herr, durch dein Kraft uns bereit / und wehr des Fleisches Blödigkeit, / dass wir hier ritterlich ringen, / durch Tod und Leben zu dir dringen.“

Auch hat Luther in einer Tischrede die Georgslegende erzählt und als „schöne geistliche Deutung vom weltlichen Regiment und Policey“ eingeordnet:

„Die Jungfrau bedeutet die Policey, die wird vom Drachen, das ist, vom Teufel angefochten und verfolget, der will sie fressen. Er plaget sie aber itzt mit Hunger und Theurung, itzt mit Pestilenz, itzt mit Krieg, verschlinget und verwüstet sie, bis ein frömmer Herr und Fürst oder Kaiser kömmt, der ihr helfe, sie errette, und wiederum restituiere und zurecht bringe“.

Klaus Dicke schreibt in einem unveröffentlichten Manuskript dazu:

„Diese kurze Passage enthält Luthers Auffassung vom weltlichen Regiment oder – wie wir heute sagen würden – von Politik. Das Bild Georgs ist also für ihn nichts anderes als eine Allegorie der Politik. Was besagt sie? Die Menschheit ist in der irdischen Pilgerschaft Bedrohungen und Gefährdungen vielfacher Art ausgesetzt: Hunger, Inflation, Krankheit, Krieg. Die Welt ist lebensfeindlich, und das Leben in ihr kurz und immer in Gefahr […]. Geordnetes Leben in der Welt, ein Leben in Sicherheit, bedarf eigener „Restitution“, einer eigenen Ordnungsleistung. Und diese Ordnungsleistung, das wieder Zurechtbringen, ist Aufgabe dessen, was wir heute ‚die Politik‚ nennen.“

Nach Luther gelte: „In der Politik vollzieht sich Gottes Handeln in der Welt, Politik, Herrschaft, ist christlicher Beruf. Das ist eine starke Aufwertung weltlichen Tuns und der Politik im Besonderen, und das reflektiert die Einsicht, dass die politische Bekämpfung all derjenigen Drachen, die unser Leben bedrohen, ein von Gott gewollter, ein Liebesdienst am Menschen ist.“