Evangelische Akademie Thüringen

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Überraschungen bei „100 Jahre evangelische Landeskirche in Thüringen“

  • Dr. Susanne Böhm spricht über Titus Reuter. Foto: © EAT
    Dr. Susanne Böhm spricht über Titus Reuter. Foto: © EAT
  • Dr. Ehrhart Neubert beim Vortrag über Moritz Mitzenheim. Foto: © EAT
    Dr. Ehrhart Neubert beim Vortrag über Moritz Mitzenheim. Foto: © EAT
  • Dr. Sebastian Kranich zeigt die Jubiläums-Ausgabe von „Glaube und Heimat“. Foto: © EAT
    Dr. Sebastian Kranich zeigt die Jubiläums-Ausgabe von „Glaube und Heimat“. Foto: © EAT

Jubiläumsveranstaltungen sind bisweilen Pflichtveranstaltungen. Doch wer vom 6. bis 8. November nur Wiederholungen des Altbekannten erwartet hätte, wäre überrascht worden. Schon zu Beginn der Tagung zur Thüringer Kirchengeschichte in Neudietendorf wurde deutlich: Hier geht es um lebendige Geschichte, in historischen wie biografischen Zugängen.

So erinnerte Dr. Sebastian Kranich an den charismatischen Jugendpfarrer Jo Winter, den Kopf der Friedensgruppe „Gewaltlos leben“ und Christina Neuß stellte Johann Samuel Sommer, den ersten Hausmeister der Thüringer evangelischen Kirche in den Mittelpunkt. Anschließend sprach Altbischof Prof. Christoph Kähler über Bekenntnis, Bekennen und Bekennende im Verlauf der Thüringer Kirchengeschichte.

Nach diesem Auftakt ging es durch die Zeiten der Weimarer Republik, der NS- und DDR-Zeit bis hinein in die Jahre nach 1989/90 – ein ambitioniertes und dichtes Programm. Anhand von interessanten und prägenden Gestalten wurden die Etappen der Geschichte abgeschritten. Nach dem ersten Hausmeister wurden nun auch der erste Landesoberpfarrer der Thüringer evangelischen Kirche, Wilhelm Reichhardt, vorgestellt (Dietmar Wiegand) sowie Leben und Politik von Volksbildungsminister Max Greil (Dr. Thomas A. Seidel).

War hier bereits etliches Neues zu erfahren, stieg die Temperatur am Folgetag beim Thema NS-Zeit noch einmal deutlich an. Dr. Susanne Böhm zeigte auf, wie Oberpfarrer Titus Reuter in Greiz theologischen Widerstand gegen die Auflösung von Konfessionalität leistete – doch keinen politischen. Er verteidigte z. B. das Alte Testament aber setzte sich in keiner Weise für jüdische Bürger ein. Ulrich Spengler führte das Agieren und die nachträgliche Selbststilisierung als Opfer des nationalsozialistischen und deutschchristlichen Pfarrers Rudolf Heubel so plastisch vor Augen, dass es erleichternd war, von Dr. Mathias Rost etwas über die aufrichtige und tapfere Pastorin Gertrud Schäfer zu hören.

Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag über Moritz Mitzenheim. Dr. Ehrhart Neubert überraschte viele mit einer kritischen Würdigung des prägenden Thüringer Landesbischofs, die sich so zusammenfassen lässt: Mitzenheim sei seinem Ziel immer treu geblieben, Raum zu schaffen für die Volkskirche. Nur über die dafür jeweils eingesetzten Mittel lässt sich streiten.

Mit der Vorstellung des Dissertationsprojektes „Glaube und Heimat 1946-1989“ durch Karl Christoph Goldammer war dann der Übergang geschaffen für Gespräche über die 1970er Jahre bis zur Gegenwart. Als Zeitzeugen waren hierfür neben Christoph Kähler, Altbischöfin Ilse Junkermann, Propst a.D. Hans Mikosch, Superintendent Ralf-Peter Fuchs und Pfarrerin i.R. Magdalena Seifert angereist. Doch strenggenommen waren fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer Zeitzeugen. So entspannen sich Gespräche mit vielen Perspektiven.

Am Abend des 7. November präsentierten Christina Neuß und Johannes Röder schließlich Tondokumente, Fotos und Filme aus dem Landeskirchenarchiv. Zu hören waren u.a. die Stimmen von Moritz Mitzenheim, Walter Grundmann und Klaus-Peter Hertzsch. Sogar der Hut von Werner Leich wurde präsentiert.

Nach Eisenach ging es dann am Sonntag zum Festgottesdienst in die Georgenkirche, der hier nachzuhören ist:

https://www.wartburgradio.org/100-jahre-evangelische-landeskirche-in-thueringen/

In moderierten Statements kamen anschließend – als Abschluss der Tagung – Kirchenoberbaurat i.R. Bernd Rüttinger, Prof. Miriam Rose (Uni Jena) und Landesbischof Friedrich Kramer für jeweils sieben Minuten zu Wort: eine Corona-bedingte Kurzfassung der geplanten Podiumsdiskussion.

Am Ende dieser drei Tage zu „100 Jahren Thüringer evangelische Kirche“ waren viele vor allem eines: dankbar und glücklich, dass alles so stattfinden konnte – zwar äußerlich kleiner als geplant, aber inhaltsreich und konzentriert.