Evangelische Akademie Thüringen

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Von seltsamen Begebenheiten, abgelegenen Inseln und Vierfüßlerpuppen: Theatertag im Waidspeicher

Beim Theatertag war ein Blick hinter die Kulissen erlaubt: In der Werkstatt des Waidspeichers erfuhren die Teilnehmenden viel zur "Anatomie" der Puppen. Foto: © Lübbers/EAT
Beim Theatertag war ein Blick hinter die Kulissen erlaubt: In der Werkstatt des Waidspeichers erfuhren die Teilnehmenden viel zur "Anatomie" der Puppen. Foto: © Lübbers/EAT

Mitten im Zentrum Erfurts ging es am vergangenen Samstag um Abgelegenes: Im Theater Waidspeicher trafen sich zum Theatertag 20 Interessierte, die mehr über einsame Inseln erfahren wollten.

Dass Inseln einen Lieblingsschauplatz in der Literatur darstellen, und zwar von der Antike bis heute, stellte Studienleiterin Sabine Zubarik in ihrem Einführungsvortrag vor. Darin zeigte sie, dass die Geschichten über Inseln von Annahmen durchzogen sind, die an sich zwar einleuchten, oft aber als Klischees überstrapaziert werden und mitunter unseren verstellten, westlichen Blick auf die Materie durchscheinen lassen. So sind viele Inseln – wie auch Judith Schalansky in ihrem Buch Atlas der abgelegenen Inseln von 2009 deutlich macht – gar keine Sehnsuchtsorte, sondern eher Zeugnis von Machtkämpfen, Kolonialisierungsversuchen, menschlichen und natürlichen Katastrophen. Schalanskys Buchprojekt lehrt uns auch, dass Objektivität und Erzählbarkeit im Falle von etwas so Randständigem wie Inseln problematisch ist, weshalb sie – graphisch und narrativ – versucht, jede ihrer 50 Inseln einmal als Zentrum der Welt auftreten zu lassen.

Anschließend sprach die Dramaturgin des Hauses, Susanne Koschig, über die Geschichte des Waidspeichers und die besondere Bedeutung von Puppentheatern in Ostdeutschland. Anschaulich brachte sie dem Publikum die unterschiedlichen Puppenarten und die offene Spielweise des Waidspeichers näher, bei der die Darsteller:innen im Stück nicht nur sichtbar sind, sondern oftmals mit den Puppenfiguren interagieren, z.B. als Doppelgänger oder gar physischer Teil des Puppenkörpers. Dabei erfuhren die Gäste auch, dass die zur Aufführung an diesem Abend eingesetzten Puppen „Vierfüßler“ genannt werden, da sie mindestens zwei (oft sogar drei) Spieler benötigen, weil alle vier Gliedmaßen einzeln bewegt werden können. Schließlich sollten die Zuhörenden selbst durch Arm- und Handpositionen sowie Fingerbewegungen ausprobieren, wie eine typische Handpuppe geführt wird.

In der Werkstattführung sah man die Puppen von Nahem, durfte sogar mal selbst in die rechte Hand des Königs schlüpfen und noch unbemalte Köpfe bewundern. Richtig anatomisch wurde es mitunter, denn die Gelenke der Puppen sollen analog zum menschlichen Bewegungsapparat funktionieren, dazu noch strapazierfähig sein und sich gut umkleiden lassen.

Das Highlight des Theatertags folgte mit der abendlichen Aufführung der Inszenierung von Schalanskys Atlas mit drei Puppenspielern, die anschließend zusammen mit der Dramaturgin zum Publikumsgespräch bereitstanden. 12 der insgesamt 50 Inseln aus dem Buch fanden ihre szenische Umsetzung, wobei darauf geachtet wurde, dass alle Weltmeere vertreten waren. Dass das Stück begeistern konnte, merkte man daran, dass etliche Gäste nun fest vorhaben, das Buch zu lesen und mehr zum Hintergrund der Geschichten zu erfahren.