Evangelische Akademie Thüringen

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Wirklich eine Zeitenwende? Ein Augustinerdiskurs zum Krieg gegen die Ukraine

Podium beim Augustinerdiskurs "Zeitenwende" mit Dr. Andreas Umland, Tetiana Lopashchuk, Dr. Sebastian Kranich und Barbara Reichert. Foto: © Wuttke/EAT
Podium beim Augustinerdiskurs "Zeitenwende" mit Dr. Andreas Umland, Tetiana Lopashchuk, Dr. Sebastian Kranich und Barbara Reichert. Foto: © Wuttke/EAT

Zeitenwende. Ein Begriff, der von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungsrede am 27. Februar 2022 geprägt wurde, in der er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilte. Doch was bedeutet dieser Begriff und ist er zutreffend? Nicht wirklich, meint Franz-Josef Schlichting, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, in seiner Einführung zum Augustinerdiskurs am vergangenen Donnerstag. Eine Zeitenwende wäre der Krieg nur gewesen, hätte sich der Westen nicht gegen den russischen Angriff positioniert.

Am Weltfriedenstag diskutierten die ukrainische Philologin, Kulturwissenschaftlerin und politische Aktivistin Tetiana Lopashchuk, die Militärpfarrerin Barbara Reichert und der Politikwissenschaftler und Publizist Dr. Andreas Umland unter der Moderation von Dr. Sebastian Kranich, Direktor der Ev. Akademie Thüringen, über die Bedeutung des nun mehr als sechs Monate andauernden Krieges gegen die Ukraine.

Für Tetiana Lopashchuk persönlich bedeutet der Krieg die Flucht aus ihrem Heimatland. Jahrelang hatte sie sich mit ihrer Organisation „KYJIWER GESPRÄCHE“ für einen Dialog zwischen Deutschland und der Ukraine eingesetzt. Ihr Bestreben: „ein Anschluss an europäische Netzwerke und Erfahrungen.“ Diese wichtige Arbeit sieht sie nun bedroht. Doch sie blickt auch sehr positiv auf die starke Solidarität Deutschlands mit der Ukraine und wünscht sich, dass diese nicht weniger wird. Auch die Menschen in der Ukraine geben nicht auf. „Sie wollen ihr Land wieder aufbauen“.

Ebenso wie Frau Lopashchuk betont Dr. Andreas Umland, wie wichtig die Unterstützung durch Deutschland sei. Schon Anfang des Jahres warnte er zusammen mit anderen Experten vor der Gefahr, die von Russlands aggressivem Vorgehen ausgehe und ermahnte die deutsche Regierung zu einem Kurswechsel in ihrer Russlandpolitik. Auch beim Augustinerdiskurs betonte Umland, dass es sehr wohl im Interesse Deutschlands sei, die Ukraine mit allen Mitteln zu unterstützen. Er forderte zudem, dass die Sanktionen gegen Russland nicht gelockert werden dürften, so lange, bis der Krieg beendet sei.

Eine ganz andere Perspektive bot Barbara Reichert, die sich als Militärpfarrerin um die Seelsorge der Soldat:innen kümmert. Diese seien durch den Krieg gegen die Ukraine mit vielen Unsicherheiten und Gewissensentscheidungen befasst. So seien viele russischstämmige Soldat:innen zwischen ihren familiären Verbindungen nach Russland und ihrer soldatischen Verpflichtung hin- und hergerissen. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerungen sei in diesem Zusammenhang deutlich angestiegen, meint Reichert.

Fragen seitens des Publikums nach den Ursachen des Krieges wurden von Umland anhand der langen konfliktreichen Vorgeschichte seit den 1990ern beantwortet. Kontrovers diskutiert wurde auch die Frage der Waffenlieferungen in die Ukraine. So gab es im Publikum einerseits die Position, dass sich Deutschland militärisch vollständig zurückhalten solle. Anderseits wurde gefordert, dass Deutschland die Ukraine noch konsequenter mit Waffenlieferungen unterstützen solle.
Trotz teilweise gegensätzlicher Positionen verlief der Diskurs konstruktiv und ertragreich und trug dazu bei, dass der Krieg nicht aus dem Blickfeld gerät.