Evangelische Akademie Thüringen

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Die Todesangst lindern - Buchvorstellung

Jutta Kranich-Rittweger und Sebastian Kranich im zum Filmstudio umfunktionierten Besprechungsraum der Akademie. Foto: © EAT
Jutta Kranich-Rittweger und Sebastian Kranich im zum Filmstudio umfunktionierten Besprechungsraum der Akademie. Foto: © EAT

Der Tod rückt uns in der Pandemie ganz schön auf die Pelle. So hieß es in einem Radiovorbericht zur Buchvorstellung „Vom Umgang mit der Todesangst. Empirische Untersuchungen und ihre praktische Relevanz“. Tatsächlich war das Interesse daran groß und das Gespräch intensiv.
Zur Präsentation des neuen Buches von Dr. Jutta Kranich-Rittweger nur zwei Punkte. Denn die gut 50 sehenswerten Minuten sind online auf YouTube verfügbar.

Die Psychotherapeutin und Theologin plädierte auf dem Hintergrund ihrer jahrzehntelangen Arbeit mit Krebspatienten für eine Auseinandersetzung mit Sterben und Tod. Denn diese vermag Ängste zu lindern. In ihrer Praxis arbeitet sie mit kreativen Methoden. Angst und Hoffnung kann so Gestalt gegeben werden: in Bildern, kleinen Kunstwerken, Briefen, Geschichten. Aber sie können – von einer Bäckerin – auch gebacken werden: in einer Torte des Todes und einer Torte des Lebens. Kreativität ist eine Antwort auf des Sterbenmüssen, so Kranich-Rittweger.

Spannend auch: In einer ostdeutschen Großstadt, dem Untersuchungsort, hat immerhin die Hälfte der Befragten ein Bild oder eine Idee über den eigenen Tod hinaus. Und diese Bilder sind allesamt positiv besetzt. Das Jenseits schreckt nicht, sondern wird unterschiedlich vorgestellt und ausgemalt. Traditionelle Vorstellungen werden dabei mit neuen Elementen kombiniert oder ausgeschmückt. Viele sehen sich oder die Verstorbenen in einem Himmel, etwa in einer himmlischen Wohnung oder auf einer himmlischen Wiese. Das Paradies kann dann z. B. sein wie „Woodstock ohne Drogen.“

Das anschließende Gespräch dauerte knapp eine Stunde. Hier hatten eigene Erfahrungen ihren Raum. Etwa die, dass ein hochbetagter Mann in der Klinik nicht sterben darf, künstlich am Leben erhalten wird, weil ihn Ärzte nicht sterben lassen. Aber auch: Wie 70jährige Kinder es nicht fassen können, dass ihr über 90jähriger Vater nun stirbt und diese die Ärzte deshalb mit Vorwürfen überziehen und unter Druck setzen.

Was die eigene Angst vor dem Tod angeht, machte Jutta Kranich-Rittweger auf Nachfrage noch einmal deutlich: Pathologische Angststörungen lassen sich psychotherapeutisch gut behandeln. Die Angst vor dem Tod könne man aber nur lindern. Da sei sie ganz bescheiden geworden. Todesangst gehöre nun einmal zum menschlichen Leben. Warum? Das habe der Theologe Paul Tillich grundsätzlich so gefasst: „Existenz schließt Endlichkeit ein, und Angst ist das Gewahrwerden der eigenen Endlichkeit.“

Ein Fazit der Diskussion lässt sich ziehen: Wir brauchen eine neue Sterbekultur. Nicht nur das Leben, auch das Lebensende bedarf der Gestaltung. Dazu braucht es eine Gesprächsfähigkeit, zu der diese Buchvorstellung ein Beitrag war.

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