Evangelische Akademie Thüringen

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Diskurs in Zeiten des Gebrülls – theologisches Kolloquium in Berlin

Der Kirchensaal im Dietrich-Bonhoeffer-Haus Berlin war 1989 Ort des zentralen Runden Tischs für die DDR. In der vergangenen Woche war er Ort des Theologischen Kolloquiums der Evangelischen Akademien in Deutschland. Foto: ©  EAT
Der Kirchensaal im Dietrich-Bonhoeffer-Haus Berlin war 1989 Ort des zentralen Runden Tischs für die DDR. In der vergangenen Woche war er Ort des Theologischen Kolloquiums der Evangelischen Akademien in Deutschland. Foto: © EAT

Einmal jährlich findet das theologische Kolloquium der Evangelischen Akademien Deutschland (EAD) statt. Diesmal ging es um ein oder gar ‚das‚ Herzstück der Arbeit der Evangelischen Akademien: Welche Zukunft hat Gespräch? Wie steht es um den Diskurs in Zeiten von Fake News und populistischem Gebrüll?

Fünf Kurzreferate standen am 13. und 14. Januar auf dem Programm. Den Auftakt machten  – im Rahmen der Verabschiedung des Berliner Akademiedirektors Rüdiger Sachau in der Französischen Friedrichstadtkirche – Dr. Ellen Ueberschär (Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung) und Landesbischof Ralf Meister.

Ueberschär betonte, gerade heute brauche es Räume für öffentliche Debatten, in denen es um die Sache geht, Räume für alle, die sprechen wollen. Auch Meister plädierte für Akademie als offenem Raum und erinnerte angesichts gesellschaftlicher Polarisierungen an den Versöhnungsauftrag von Kirche. Ob Akademien ‚Beschwichtigungsorte‚ für die erregten Gemüter sein können, blieb im Anschluss offen.

Der Ort des zweiten Teils des Kolloquiums war das Dietrich-Bonhoeffer-Haus, in dessen Kirchsaal im Dezember 1989 die ersten drei zentralen Runden Tische für die DDR zusammengekommen waren.

Hanna Lorenzen (stellv. Generalsekretärin EAD und Bundestutorin der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung) beleuchtete das Thema aus der Perspektive der politischen Jugendbildung. Dabei betonte sie, dass Jugendliche inszenierten Streit ablehnen und eine sachliche, kontroverse Auseinandersetzung schätzen. Wichtig sei es, junge Menschen aus verschiedenen Lebenswelten in heterogenen Gruppen ins Gespräch zu bringen, wobei die Heterogenität nicht von allein entstünde, sondern herbeigeführt werden müsse.

Dr. Frank Vogelsang (Akademiedirektor Rheinland konstatierte in seinen theologischen Überlegungen einen Verfall von öffentlicher und semiöffentlicher Diskussionskultur. Wer brülle, der wolle nur noch Dissenz zum Establishment sichtbar machen. Im Diskurs, wie ihn die Akademien pflegen, müssten aber Diskursregeln und ein gemeinsamer Bezugspunkt – hochgegriffen, die Suche nach der Wahrheit – gegeben sein.

Dr. Sebastian Kranich (Akademiedirektor Thüringen) brachte (nicht nur) die ostdeutsche Sicht ein. Er sprach über Vorurteile und Urteile zur Lage im ‚Osten‚ und darüber, was wir beim Gebrüll denken und fühlen. Dazu griff er auf Dietrich Bonhoeffer zurück, der zum Jahreswechsel 1942/43 geschrieben hatte, man stehe „mitten in einem Prozeß der Verpöbelung in allen Gesellschaftsschichten.“ Zugleich hielt Bonhoeffer damals fest: „Die Gefahr, uns in Menschenverachtung hineintreiben zu lassen, ist sehr groß.“

Die Vorträge sollen in einem Reader zusammengefasst werden. Den Vortrag von Sebastian Kranich finden sie jetzt schon hier, im Downloadbereich.