Evangelische Akademie Thüringen

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Ein Rezept gegen Todesangst?

Vor der Morgenandacht. Foto: (c) Kranich/EAT
Vor der Morgenandacht. Foto: (c) Kranich/EAT

„Meine Frauengruppe hat mich beauftragt, ein Rezept gegen die Angst vor dem Sterben und dem Tod mitzubringen. Nun sagen Sie doch mal.“ Mit dieser Wortmeldung herrschte plötzlich Heiterkeit im Raum. Ein Teilnehmer meldete sich. Er müsse schnell mal googeln. Diesen Satz von Epikur. Und schon hatte er ihn: „Solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“ Wem es hilft, bemerkte eine andere Frau halblaut. Und am Ende der Diskussion über vielfältige Vorstellungen und Bilder beim Umgang mit der Todesangst konstatierte ein weiterer Mann – nicht ohne Widerspruch zu ernten – das seien doch alles Projektionen. Außerdem: Er selbst habe schon oft erlebt, dass Menschen sterben, dabei aber nie an seinen eigenen Tod gedacht, auch jetzt nicht.

Recht munter und kontrovers ging es zu nach den Vorträgen auf der Tagung „Mein Umgang mit der (Un-)Endlichkeit. Angst- und Hoffnungsbilder im Gespräch“ vom 16. bis 17. Februar im Zinzendorfhaus Neudietendorf. In den Gesprächsgruppen über die eigenen Erfahrungen mit dem Tod und eigene Bilder und Vorstellungen über den Tod hinaus war die Atmosphäre anders. „Wann sind Sie das letzte Mal dem Tod begegnet?“ Auf diese Einstiegsfrage gab es Antworten wie: „Heute auf der Intensivstation. Ich arbeite dort.“ Oder: „Vor zwei Jahren. Beim Tod meiner Mutter zu Corona-Zeiten.“ Damit war der Ton gesetzt, auch wenn es gar nicht so leicht ist, in einer Gruppe über längere Zeit „über sich“ und nicht „über etwas“ zu reden. Viele sehr intime, persönliche, schmerzhafte, liebevolle und kleine Momente der Hoffnung wurden hier geteilt.

Doch was war nun mit dem Rezept? Einst teilte der Kirchenvater Ignatius von Antiochien den Ephesern brieflich mit: Das Abendmahl sei die „Medizin der Unsterblichkeit“ – ein „Gegengift gegen den Tod“. Sollte das jemals grob-materiell verstanden worden sein, so wäre uns modernen Menschen eine solche Auskunft wenig zugänglich. Vielmehr erleben wir uns in unserem Zugang zur Wirklichkeit oft in einer Spannung: Zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis, die den Tod als Ende definiert. Und einem „zärtlichen, weinenden, taumelnden, emotionalen Geist“, wie der US-amerikanische Psychoanalytiker und Psychotherapeut Irvin D. Yalom nach dem Tod seiner Ehefrau schrieb, der sich nach den Verstorbenen sehnt, der fühlt und hofft und glaubt und zweifelt und sich gewiss ist.

Ein Rezept gegen Todesangst? Das gab es nicht, doch ein paar Hinweise: Meiden Sie das Thema nicht. Gehen Sie auf Friedhöfe. Besuchen Sie Trauerfeiern und nehmen Sie Kinder ab vier Jahren mit. Beherzigen Sie den Satz: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Und kommen und bleiben Sie angesichts des Sterbens, des Todes und in Trauer miteinander im Gespräch und im Kontakt – in der Frauengruppe und anderswo.