Evangelische Akademie Thüringen

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Ein Schmuddelthema? Eindrücke der Menschenrechtstagung

  • Beim Vortrag von Sebastian Köthe über die sogenannte "saubere Folter" in Guantánamo kamen die Zuhörenden mitunter an ihre Schmerzgrenze. Foto: © Wuttke/EAT
    Beim Vortrag von Sebastian Köthe über die sogenannte "saubere Folter" in Guantánamo kamen die Zuhörenden mitunter an ihre Schmerzgrenze. Foto: © Wuttke/EAT
  • Dr. Karl-Heinz Bomberg ging beim Konzert unter dem Titel "In mir steckt ein Schrei" das Thema von der musikalischen Seite an. Foto: © Wuttke/EAT
    Dr. Karl-Heinz Bomberg ging beim Konzert unter dem Titel "In mir steckt ein Schrei" das Thema von der musikalischen Seite an. Foto: © Wuttke/EAT

„Da stehen wir beim Kirchentag unter hunderten von Ständen mit unserem Schmuddelthema.“ Diese Wortmeldung eines Mitglieds der Menschenrechtsorganisation „Aktion der Christen gegen Folter“ (ACAT) in der Schlussdiskussion markiert einen entscheidenden Punkt: Wer sich mit Menschenrechtsverletzungen befasst, findet oft wenig Gehör.

Wer kann, wer will das hören? So wurde wiederholt gefragt bei der Tagung „Menschenrechte unter Druck. Aus Vergangenheit und Gegenwart in (ex)sozialistischen Staaten“ vom 11.-12. September, eine Kooperation der Evangelischen Akademie Thüringen und ACAT.

Es ging um Tschechien, die DDR und Vietnam: Drei Länder, unterschiedlich miteinander verbunden und zugleich durch den Kommunismus geprägt. Vertreibungen, Zwangsumsiedlungen, Enteignungen, erzwungene Flucht, Unterdrückung von politischer und von Meinungsfreiheit, der Druck auf Christen: Immer war es das gleiche Lied, wenn auch in unterschiedlichen Tonarten.

Per Livestream aus Prag zugeschaltet sprach Monika Žarská vom Prager Frühling und der Charta 77 und darüber, wie einflussreich die alten Eliten in Tschechien wieder sind. Ton-Vinh-Trinh-Do, 1979 aus Vietnam geflohen und heute Sozialtherapeut sowie zweiter Vorsitzender des Bundesverbands der vietnamesischen Flüchtlinge in Deutschland, brachte das Schicksal der Boat-People nahe. Vieles wusste er auch von den gegenwärtigen Aktivitäten des vietnamesischen Geheimdienstes hierzulande zu berichten. Um die DDR und deren Opfer ging es im Vortrag von Christian Dietrich, Pfarrer und von 2013-2018 Thüringer Landesbeauftragter für die Opfer der SED-Diktatur.

Doch ist ein Wissen darüber nur das eine. Die damit verbundenen Bilder und Gefühle fanden ihren Ausdruck besonders im abendlichen Konzert mit Lesung. Unter dem Titel „In mir steckt ein Schrei“ boten der Arzt und Liedermacher Dr. Karl-Heinz Bomberg, die Psychotherapeutin und Autorin Dr. Jutta Kranich-Rittweger sowie die Zeitzeugin und Liedermacherin Kathrin Begoin-Weber eindrückliche künstlerische Verarbeitungen von DDR-Gefängnis-, Jugendwerkhofs-, und Foltererfahrungen.

Eindrücklich bis an die Schmerzgrenze war schließlich der Vortrag über „Folter im global war on terror“. „Hören Sie endlich auf! Das hätte ich zwischendurch am liebsten sagen wollen“ – so eine Publikumsreaktion danach. Sebastian Köthe (UdK Berlin), schilderte die Praktiken der sogenannten „sauberen Folter“ in Guantánamo und ließ die Opfer ausführlich zu Wort kommen. Denn er habe nicht das Recht deren Zeugnisse abzuschwächen, so Köthe.

Mit Guantánamo kam auch in den Blick, wie sehr Anspruch und Ideal „westlicher Werte“ und die westliche Praxis in Sachen Menschenrechte heute auseinanderklaffen.

So bleibt der Einsatz für Menschenrechte wichtig. Bei ACAT ist er christlich gegründet. Zu den Briefaktionen kommt das Gebet, wie im Menschenrechtsgottesdienst am Sonntag im Kirchsaal der Brüdergemeine Neudietendorf. Der Leitspruch der Menschenrechtsorganisation ist dem Hebräerbrief entnommen:

„Denkt an die Gefangenen, als ob ihr selbst mit ihnen im Gefängnis wärt. Denkt an die Misshandelten, als müsstet ihr ebenso leiden wie sie.“