Evangelische Akademie Thüringen

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Entdeckungen im literarischen Universum

Sonnenbeschienen ließ es sich beim Literarischen Garten vortrefflich über Bücher sprechen. Foto: © Zubarik/EAT
Sonnenbeschienen ließ es sich beim Literarischen Garten vortrefflich über Bücher sprechen. Foto: © Zubarik/EAT

Schon zum vierten Mal seit Ende des ersten Lockdowns trafen sich zur Veranstaltung „Literarischer Garten“ Lesefans zu einem Austausch über ihre jüngst getätigten oder noch währenden Lektüren. Der Veranstaltungsort unter freiem Himmel, im Garten des Zinzendorfhauses Neudietendorf, schien bei den diesjährigen, sehr launischen Wetterumschwüngen gewagt, doch am späten Nachmittag des 25. August zeigte sich die Sonne von ihrer besten Seite – als wolle sie mithören, was sich nach Angaben der zusammengekommenen Gruppe zu lesen gerade lohnt.

Falls sie mitgeschrieben hat, wird sie sich recht bald an den Roman Was man von hier aus sehen kann (2017) heranmachen, aus dem zur Freude aller Anwesenden einige Ausschnitte vorgelesen wurden und dessen Autorin Mariana Leky auch schon durch frühere Titel beim Publikum beliebt zu sein schien. Gefallen finden wird nicht nur sie, die stille Zuhörerin Sonne, an dieser Geschichte, vor allem, wenn sie sich für das Leben auf dem Lande interessiert. Und sicher ist ihr der treffliche Zusatz auf der Rückseite des Buchcovers in Erinnerung geblieben: „von der unbedingten Anwesenheitspflicht im eigenen Leben“.

Aufmerken konnte sie auch beim Hinweis auf das sehr umfangreiche – über 1092 Seiten! – biografische Buch Havemann (2007), in dem Florian Havemann über seinen Vater Robert, bekannter Regimekritiker in der DDR, schreibt. Eindrücklich fand man beim Zuhören einiger Beispielstellen vor allem die kreisende, sich wiederholende Sprache, die sich assoziativ von Satz zu Satz hangelt, so dass man beim Lesen das Gefühl hat, Zeuge einer Entstehung von Zusammenhängen und Erkenntnissen zu werden.

Allen Anwesenden wurde ein Privileg zuteil, dass es schon einmal, nämlich beim ersten Literarischen Garten gab: aus einem noch unveröffentlichten Manuskript vorgelesen zu bekommen, das hoffentlich auch bald gedruckt vorliegen wird. Verraten wird nur so viel: Es handelt sich um einen Romanerstling eines Weltreisenden, der sich ein Thüringer Dorf im Spätsommer 1988 zum Schauplatz seiner Erzählung gewählt hat.

Auch zwei „Wiederfunde“ waren bei den Buchvorstellungen dabei: Ein Teilnehmer entdeckte Heinrich Bölls Ansichten eines Clowns, zuletzt als Jugendlicher gelesen, noch einmal neu und anders für sich – in diesem Zuge sprach die Runde eine längere Weile über die Bedeutung Bölls heutzutage, seine Gabe der hautnahen Veranschaulichung der Nachkriegszeit und persönliche Lieblingstitel aus seinem Werk. Eine Teilnehmerin fand dagegen einen von ihr bis dato nicht sehr beachteten Autor, John Grisham, bei näherer Lektüre des Bestsellers Die Jury (1992 in dt., 1989 im engl. Original), besonders im Hinblick auf Rassismusdebatten und Kritik am US-amerikanischen Rechtssystem, interessant.

Noch ein Romanerstling schaffte es zum Abschluss vorgestellt zu werden – da war die Sonne schon weg und verpasste leider diesen unbedingten Lesetipp. Das Genie von Klaus Cäsar Zehrer (2017) handelt von William James Sidis, der 1898 in New York geboren wurde und als hochbegabtes Wunderkind in Windeseile alle Bildungseinrichtungen bis hin zum Doktortitel durchlief, aber wenig Lebenstauglichkeit im Alltag bewies und seinen Platz in der Gesellschaft nicht finden konnte. „Gleichermaßen gut recherchiert wie brilliant geschrieben“ wurde dem Roman gleich von mehreren anwesenden Leser:innen attestiert, „Versuch des Weglegens zwecklos“.

Am Ende wurden noch einige ausgelesene Bücher weitergereicht, man tauschte, verschenkte und schrieb sich weitere Empfehlungen auf, damit es auch beim nächsten Literarischen Garten wieder etwas vorzustellen gibt. Dieser wird voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres als Wintergarten angeboten und steht wieder allen Interessierten zur Teilnahme offen.