Evangelische Akademie Thüringen

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Es braucht eine andere Haltung gegenüber Kindern und Jugendlichen

Wohin soll es gehen mit einer eigenständigen Kinder- und Jugendpolitik mit und nach Corona? Foto: RODNAE productions (Pexels)
Wohin soll es gehen mit einer eigenständigen Kinder- und Jugendpolitik mit und nach Corona? Foto: RODNAE productions (Pexels)

„Wie in einem Brennglas werden die Defizite in der Kinder- und Jugendhilfe in der Pandemie sichtbar.“ Dieser Satz wurde von den Teilnehmenden des Online-Barcamps „Corona: Was kinder- und jugendpolitisch notwendig ist – jetzt und später“ einstimmig als die Floskel der vergangenen zwei Jahre identifiziert. Denn aus dieser Erkenntnis folgte bislang wenig. Stattdessen stehen massive Mittelkürzungen an – z. B. im Kinder- und Jugendplan des Bundes.

Das Barcamp startete mit einem Problemaufriss der SPIEGEL-Journalistin Silke Fokken, die zwei Kinder vorstellte, die sie während ihrer Recherche zu den Auswirkungen der Pandemie auf Jugendliche kennengelernt hatte. Einzelschicksale zwar, in denen aber strukturelle Probleme sichtbar werden. So erzählte ihr ein 13-jähriger Junge von seiner Flucht aus Afghanistan, seinen Bemühungen, in Deutschland Fuß zu fassen und den großen Schwierigkeiten, im Homeschooling die Aufgaben zu schaffen. Er ist immer noch in der fünften Klasse, weil seine Deutschkenntnisse einfach nicht für die Versetzung ausreichen. Seine Eltern können kaum helfen und in der Schule gibt es scheinbar keine Konzepte oder Möglichkeiten. Dieser Junge, so Fokken, wurde in der Pandemie einfach vergessen und jetzt ist seine Lücke zu den Altersgenossen so groß geworden, dass Aufholen schwierig wird.

Was also tun? Die Teilnehmenden diskutierten über eben jene Defizite, für die die Pandemie ein Brennglas ist: Armut, mangelnde Konzepte und Personal in der Früh- und Sprachförderung, psychische Belastungen und mangelnde Vorsorge für psychische Gesundheit für Kinder und Jugendliche, zu viel Druck im System Schule durch Lehrer:innen-Mangel, hohen Bürokratieaufwand für Förderprogramme oder die Abwälzung von Strukturproblemen auf die einzelnen Schulen statt der Schaffung übergreifender Konzepte und Lösungen. Die Liste ist lang und die Sachlage komplex.

Dabei fordern die multiplen Krisen kurzfristige Entscheidungen und blockieren damit die Debatte darüber, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und welche Bedingungen wir dementsprechend für das Aufwachsen schaffen müssen. Ein grundsätzlicher Lösungsansatz kann nur lauten: Es braucht eine Haltungsänderung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Gutes Aufwachsen ist die Grundbedingung einer gelingenden Gesellschaft und daher muss dort investiert werden.

Das Barcamp war eine gemeinsame Veranstaltung mit der Ev. Akademie Sachsen, dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband Landesverband Sachsen e.V., Outlaw gemeinnützige Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe mbH und der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit.