Evangelische Akademie Thüringen

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Freiheit: Was Klima- und Demokratiekrise verbindet

  • Der SPIEGEL-Journalist und Autor des Buches "Demokratie im Feuer", Jonas Schaible (rechts), im Gespräch mit Ralf-Uwe Beck. Foto: Fehlberg/EAT
    Der SPIEGEL-Journalist und Autor des Buches "Demokratie im Feuer", Jonas Schaible (rechts), im Gespräch mit Ralf-Uwe Beck. Foto: Fehlberg/EAT
  • Das Publikum in der Erfurter Stadt- und Regionalbibliothek zeigte sich streitbar, aber konstruktiv. Foto: Fehlberg/EAT
    Das Publikum in der Erfurter Stadt- und Regionalbibliothek zeigte sich streitbar, aber konstruktiv. Foto: Fehlberg/EAT

Klima? Demokratie? Früher war alles besser! So ähnlich dürften sich wohl viele an eine Welt erinnern, in der Klima und Umwelt noch nicht vom Menschen dominiert wurden und Demokratie und Gesellschaftszustand einträchtig miteinander auskamen. Freie Menschen in einem freien Land – das war einmal. Die Zeiten sind sehr viel heißer geworden.

Doch egal, wie sehr unsere Erinnerung an eine heile Welt uns bereits trügt, eins steht fest: „Diese alte Welt haben wir schon verlassen.“ So lautet zumindest die Ausgangsthese von Jonas Schaible, SPIEGEL-Journalist und Autor des Buches Demokratie im Feuer. Warum wir die Freiheit nur bewahren, wenn wir das Klima retten – und umgekehrt.

Seinen Text stellte Schaible am 22. Februar 2024 in der Erfurter Stadt- und Regionalbibliothek vor. Der Saal war überbucht und am Ende sammelten sich insgesamt rund 60 Personen zwischen den Bücherregalen. Das Gespräch mit dem Autor und mit dem Publikum führte Ralf-Uwe Beck, Sprecher des Bündnisses Mehr Demokratie e.V. und Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

Vision 2050: Unfreiheit als Folge des Klimanotstands

Jonas Schaible wählte den Einstieg in seine Lesung düster: Ein fiktiver Bericht aus dem Jahr 2050 von Dürrejahren, Hitzetoten, Jahrtausendtrockenheit, Extremwetterkatastrophen und Versorgungsengpässen. Unweigerliche soziale, ökonomische und politische Begleiterscheinungen: Kostenexplosion, staatliche Notmaßnahmen und Freiheitseingriffe, der Vormarsch autokratischer Herrschaftsstrukturen, militarisierte Migrationspolitik an den Grenzen und Ressourcenkriege.

Die Erkenntnis, dass wir auf dem „besten Weg“ in die prophezeiten Zustände sind, drängt sich beim täglichen Nachrichtenkonsum schon jetzt auf. Massive Klimawandelleugnung in Parteien wie der Alternative für Deutschland (AfD) – für Schaible gleichbedeutend mit selbstzerstörerischer Erkenntnisblindheit, die mitnichten irgendeinen „Freiheitskampf“ für sich in Anspruch nehmen könne.

Klimademokratie – Freiheit durch nachhaltigen Wohlstand

Wieviel Freiheit bleibt dem Einzelnen und einer demokratischen Politik noch, wenn dramatisch verschlechterte Umweltbedingungen diese einschränken? Jonas Schaible warb mit einer konservativen Antwort auf diese Frage. Wir müssten uns, wenn wir uns wappnen und wirksam motivieren wollten, nur darauf zurückbesinnen, was uns auch in Zukunft ein auskömmliches bis angenehmes Dasein garantiere: Das Streben nach einer sicheren Daseinsvorsorge und das Streben nach bestmöglichem Wohlstand. Ignorierten wir aber beides weiterhin, würden wir weit mehr verlieren als jetzt schon viele befürchten oder bereits verloren haben.

Man muss Jonas Schaible sicher nicht in allen Überlegungen und Schlüssen folgen, was die teils kontroverse Publikumsdiskussion deutlich machte. So sprach schon aus der ersten Frage eine gewisse Verwunderung, wie man denn nun aber – eben demokratisch gedacht – die Bürger für einen entschiedenen Klima- sowie Demokratie- und Freiheitsschutz einbinden und „mitnehmen“ könne? Ralf-Uwe Beck ergänzte, dass den Ausführungen des Autors die Berücksichtigung demokratischer Willensbekundung und Entscheidungsfindung wie z.B. der Ideen und Formen direkter Demokratie gefehlt habe.

Klima- und Demokratieschutz aus Eigennutz

Eines aber konnte Schaible deutlich machen: aktive Klimaschutzpolitik und aktive Demokratiepolitik gehören untrennbar zusammen. Verfolge man eine von beiden nicht, drohten Freiheit und Wohlstand so oder so der Niedergang. Dem überzeugten Klimaschutz- und Demokratiestreiter mag das zu sehr nach „schnödem Mammon“ als Lockmittel zu angepasstem Verhalten riechen. Für viele aber, die den Klimademokratie-Diskurs bisher als „Luxusproblem“ und Angelegenheit weniger wahrgenommen haben, könnte Schaibles Zielrealismus – weil er sich am Eigennutz und weniger am Idealismus ausrichtet – ein überzeugender Weg zum Handeln sein.

Die Veranstaltung wurde in Kooperation der Evangelischen Akademie, des Vereins Zukunftsfähiges Thüringen e.V., RENN.mitte, der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen sowie der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt organisiert.