Evangelische Akademie Thüringen

‹ alle Blogartikel anzeigen

Grundeinkommen - ein Thema für Kirche und Diakonie?

Michael David stellt beim Fachtag Grundeinkommen in Berlin die Fragen vor, die bis zur Verabschiedung einer neuen Grundsatzposition der Diakonie zum Grundeinkommen bearbeitet werden. Foto: © EAT.
Michael David stellt beim Fachtag Grundeinkommen in Berlin die Fragen vor, die bis zur Verabschiedung einer neuen Grundsatzposition der Diakonie zum Grundeinkommen bearbeitet werden. Foto: © EAT.

Die Debatte um das (bedingungslose) Grundeinkommen nimmt Fahrt auf: So auch beim Fachtag Grundeinkommen der Diakonie Deutschland. Denn es geht um ein Konzept, das bestechend einfach ist: Jede Bürgerin und jeder Bürger erhält ein Einkommen, dass die Existenz auch unabhängig von Erwerbseinkommen sichert.

Derzeit übernimmt in Deutschland der Sozialstaat diese Funktion: Menschen, die aus eigener Kraft nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen können (Kinder, Alte, Kranke, Arbeitslose), erhalten Sozialleistungen. Allerdings sei die Sozialverwaltung unübersichtlich geworden, weil alle Fälle individuell geprüft werden müssten. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Pascal Korber sprach daher von 143 Sozialleistungen, die von 37 Behörden ausgezahlt würden.

Der Wunsch nach einer Vereinfachung ist verständlich: Wenn es gelänge, die Sozialbürokratie abzubauen, könnte der Schwerpunkt stärker auf Beratung und Begleitung statt Leistungsverwaltung gelegt werden. Daher wird mit dem Grundeinkommen die Hoffnung auf den Abbau der Bedürftigkeitsprüfung verbunden. Denn viele auf Sozialleistungen Angewiesene fühlen sich dadurch stigmatisiert und Zwangsmaßnahmen ausgesetzt. Der Sozialstaat erreiche daher erwiesenermaßen nicht alle Bedürftigen, wenn diese etwa ihre Ansprüche nicht durchsetzen, so Wolfgang Strengmann-Kuhn, MdB für Bündnis 90/Die Grünen.

Aber ist das Grundeinkommen tatsächlich das Allheilmittel, als das manche es sehen? Die Diakonie Deutschland befasst sich derzeit ernsthaft mit dem BGE. Bis Herbst 2019 wird sie eine Grundsatzposition erarbeiten. Daher wurde zu einem Fachtag Grundeinkommen eingeladen, um unterschiedliche Perspektiven zu hören und zu diskutieren. Der Marburger Sozialethiker Franz Segbers begründete das Versprechen der Gesellschaft, Menschen in Not zu unterstützen. Sozialleistungen seien keine gewährte Gnade, sondern Pflichtaufgabe des Staates. Prof. Sascha Liebermann von der Alanus-Hochschule zeigte die positiven Wirkungen eines Grundeinkommens auf die bisher bei Sozialleistungen weitgehend unberücksichtigten Aspekte von Arbeit (Sorgearbeit, Ehrenamt) auf. Und Prof. Michael Opielka aus Siegburg, der bereits im Vorjahr auf einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie Thüringen vorgetragen hatte, stellte sein Konzept einer Grundeinkommensversicherung vor. Eine Videoaufzeichnung des Fachtags finden Sie hier.

Die Debatte ist eröffnet. Welche Ideen zum Grundeinkommen sich in der Wissenschaft und auf politischer Bühne durchsetzen werden, ist offen. Doch dies ist praktische Politikgestaltung: Analysieren, Diskutieren, Wirkungen abschätzen, Mehrheiten finden. Sie sind eingeladen, sich daran zu beteiligen: Die Evangelische Akademie Thüringen wird im Oktober zu diesem Thema eine Tagung veranstalten.