Evangelische Akademie Thüringen

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Kontroverses zu Kirche-Politik-Medien

  • Einführung in die Tagung durch Akademiedirektor Sebastian Kranich
    Einführung in die Tagung durch Akademiedirektor Sebastian Kranich
  • Gladiolen zum 65. Geburtstag bekam der ehemalige Akademiedirektor Dr. Thomas A. Seidel mit seiner Frau Cornelia von Ministerpräsidentin a.D. Christine Lieberknecht überreicht
    Gladiolen zum 65. Geburtstag bekam der ehemalige Akademiedirektor Dr. Thomas A. Seidel mit seiner Frau Cornelia von Ministerpräsidentin a.D. Christine Lieberknecht überreicht
  • Tagung Kirche. Politik. Medien: Podiumsdiskussion
    Tagung Kirche. Politik. Medien: Podiumsdiskussion
  • Abschlusskonzert mit Stephan Krawczyk in der Brüderkirche
    Abschlusskonzert mit Stephan Krawczyk in der Brüderkirche

Ein Katholik machte den Auftakt im Vortragsreigen: Zu Beginn der Tagung „Kirche. Politik. Medien. – Relevanzverluste und Bedeutungsgewinne“ vom 15.-16. September meinte der Politologe Klaus Dicke: Die Politik müsse sich fragen, was verloren ginge, wenn es keine Kirchen mehr gäbe – an Bildung, in Kultur, im Sozialen, an ethischer Orientierung. Denn der Wind sei rauer geworden und das gesamtgesellschaftliche Verhältnis zur Religion „schizophren“. Viele wollten sie vom Platz fegen, zugleich steige die Nachfrage nach dem Religiösen. Gegen die Gefahr von Resignation und der Flucht in Autoritäten sei eine Theologie der Freiheit gefordert. Diese habe davon auszugehen, dass Freiheit ein Geschenk sei und es keine Freiheit ohne Bindung gäbe.

Der sächsische Diakoniechef Dietrich Bauer markierte anschließend die freie Wohlfahrtspflege als Säule des Sozialstaats und als wichtiges Element der Demokratie. Die Diakonie nehme sozialpolitisch Partei für Familien, Kranke und Wohnungslose und sei wichtig für eine lebendige Demokratie durch ihre vielfältige ehrenamtliche Arbeit, die z.B. in Hospizen oder der Telefonseelsorge geleistet wird. Die Menschen suchten bei der Diakonie eine bestimmte Atmosphäre, einen bestimmten Geist. Dieser müsse gepflegt werden, auch oder gerade in der Konkurrenzsituation des sozialen Marktes.

Den Abendvortrag am Freitag hielt die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Sie sprach persönlich und erfahrungsgesättigt über christliche Existenz im Spannungsfeld von Kirche und Politik. Den Bogen spannte sie dabei entlang der Biografie des ehemaligen Akademiedirektors Dr. Thomas A. Seidel, der an diesem Tag 65 Jahre alt wurde, von den 1980er Jahren bis zur Gegenwart: Von Verweigerung und Opposition in der DDR, über die Neuaufbrüche der 1990er Jahre bis zum weiteren konstruktiven, kritischen, teils auch provokanten Agieren auf der Grenze von Kirche und Politik. Ein Agieren, in dem beide Bereiche zwar zu unterscheiden, aber in ihren vielen Berührungspunkten zu gestalten sind.

Der Samstagvormittag war der Friedensethik gewidmet. Der Systematische Theologe und Ethiker Reiner Anselm wehrte sich gegen eine Entgegensetzung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Beide Dimensionen müssten zusammengehen, wenn man die hergebrachten ethischen Modelle für eine – immer wieder notwendige – Weiterentwicklung der Friedensethik befrage. Deutlich kritisierte er die Rede von Dilemmata, bei denen alle Katzen grau seien und man zur Entscheidungsfindung auch die Münze werfen könnte. Stattdessen gelte es Kriterien zu entwickeln, nach denen zu entscheiden sei – in Fragen des Krieges wie der Medizin auch für das geringere Übel, das weniger Schlechte.

In den anschließenden Gesprächsgruppen ging es recht kontrovers zu, ebenso auf dem vom Thüringer MDR-Chef Boris Lochthofen moderierten Podium am Samstagnachmittag zu Funktion und Wandel der Medien. Letzteres war den Überzeugungen der Diskutanten aber auch deren Generationenunterschied geschuldet. Drei spannende Diskussionspunkte waren: Wie verträgt sich die hohe Vielfalt und Pluralität der Medien mit dem Vorwurf von „Meinungskorridoren“? Kann man Emotionsspiralen überhaupt entgehen, wenn der nächste Shitstorm nur zwei Klicks entfernt ist? Und: Die Medien sollen den Politikern auf die Finger gucken. Doch wenn sie es dann tun, wird schnell der Kampagnen-Vorwurf laut!

Zum Finale machte sich der Liedermacher Stephan Krawczyk beim Konzertgespräch in der Brüderkirche seinen Reim auf Leben, Liebe, Religion, Politik und Medien. Ohne Gitarre und Bandoneon rezitierte er dabei den Text: „Ich sitz auf meinem Iphone Thron wie ein moderner Gottessohn. Ich hab die Welt in meiner Hand und bin von ihr gebannt.“