Evangelische Akademie Thüringen

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Mystik und Widerstand – „leicht wie ein Federchen“

  • Die beiden Akademiedirektoren Sebastian Kranich (Neudietendorf) und Christoph Maier (Wittenberg) begrüßen die Tagungsgäste. Foto: © EAT
    Die beiden Akademiedirektoren Sebastian Kranich (Neudietendorf) und Christoph Maier (Wittenberg) begrüßen die Tagungsgäste. Foto: © EAT
  • Der Chorsaal des Zinzendorfhauses war unter den derzeitigen Corona-Bedingungen maximal ausgelastet. Foto: © EAT
    Der Chorsaal des Zinzendorfhauses war unter den derzeitigen Corona-Bedingungen maximal ausgelastet. Foto: © EAT

Mehr ging nicht. Seit Wochen war die Tagung „Mystik und Widerstand“ ausgebucht und die Warteliste lang. Doch nur 37 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten – unter Corona-Beschränkungen – ins Zinzendorfhaus kommen. Alle anderen werden demnächst die Vorträge online nachsehen können.

Was ist Mystik? Wie ist der Zusammenhang von spiritueller Versenkung und gesellschaftlicher Gestaltung beschaffen? Wie überhaupt hängen innerliches Erleben und politische Aktion zusammen – auch heute? Diese Fragen wurden in knapp drei Tagen intensiv diskutiert. Eine Antwort war: Mystisches Erleben sprengt das eigene Fühlen und Denken auf. Damit vermag es in der Folge auch Institutionen zu sprengen, wie bei Luther die abendländische Kirche, oder ganze Gesellschaftsordnungen zu erschüttern, wie bei Müntzer. Es verleiht die Freiheit zu neuen Gestaltungen, wie in Zinzendorfs Brüdergemeine. Und es bleibt anstößig, scharf und kantig, wie die Reaktionen auf Dorothee Sölle bis auf den heutigen Tag zeigen.

Zugleich wurde die poetische Dimension von Mystik deutlich: Das Sprachgenie Eckhart, die (Lieder)dichter Müntzer, Luther, Zinzendorf und die Theo-Poetin Sölle fanden ihre eigenen Sprachen für das Unaussprechliche. Das gilt auch für Dichter wie Rilke oder die Bildsprache Rüdiger Sünners in seinem Film über Dorothee Sölle.

Mehr ging diesmal nicht – aber es sollte mehr gehen: Mehr Eckhart, eine intensivere Auseinandersetzung mit den Texten Sölles oder die Erweiterung des Themas, hin zu Mystik in den Religionen – all das wurde angeregt. Und so soll es auch 2021 wieder eine Mystik-Tagung geben, dann in der Schwesterakademie in Wittenberg.

Auf den Weg mitgegeben wurde den Tagungsgästen im Abschlussgottesdienst unter dem Motto „Welche der Geist Gottes treibt“ in der Brüderkirche Neudietendorf ein Gedanke Zinzendorfs. Dieser schreibt:

„Die beste und gesegnetste Situation der Kinder Gottes ist, was Paulus sagt: Sein Geist treibt sie. Das Treiben heißt nicht mit Stecken treiben, denn der Stecken des Treibers ist zerbrochen, der die Leute zu Sachen nötigte.
Sondern es ist dasselbe Treiben, wies in der Epistel Petri heißt: mitgenommen. Und da ist man immer selig, wenn man gerne mitgeht, wenn man sich’s nicht schwer macht, wenn man so leicht wie ein Federchen ist, und des Heilands Geist kann mit einem hin, wo Er will:
Bald da, bald dort, bald so bald anders.“