Evangelische Akademie Thüringen

‹ alle Blogartikel anzeigen

Neustart mit dem Bürgergeld?

Mehr als 150 Engagierte aus Diakonie, Kirche, Politik und Selbstvertretung von Betroffenen diskutieren mit sozial- und arbeitsmarktpolitischen Sprechern aus Bundestagsfraktionen über die Pläne zur Reform der Sozialgesetzgebung. Screenshot: © Holger Lemme/
Mehr als 150 Engagierte aus Diakonie, Kirche, Politik und Selbstvertretung von Betroffenen diskutieren mit sozial- und arbeitsmarktpolitischen Sprechern aus Bundestagsfraktionen über die Pläne zur Reform der Sozialgesetzgebung. Screenshot: © Holger Lemme/

Die neue Bundesregierung ist gerade gebildet und nimmt ihre Arbeit auf. In der Sozialpolitik hat sie sich nicht weniger vorgenommen als Hartz IV zu überwinden und durch ein Bürgergeld zu ersetzen. Um zu hören, was sich konkret hinter diesen Ideen verbirgt, hatten die Diakonie Deutschland und der Ev. Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) am 17. Dezember 2021 zu einem Online-Fachtag „Hartz IV überwinden. Bürgergeld als Neustart für die Existenzsicherung?“ eingeladen. An diesem Gespräch mit Politiker:innen der Ampelkoalition und der LINKEN nahmen Engagierte aus der Selbstvertretung von Erwerbslosen, aus Beratungseinrichtungen und dem Jobcenter teil. Die Aufzeichnung des Online-Fachtags ist im Youtube-Kanal der Evangelischen Akademie Thüringen abrufbar.

Bezugnehmend auf das vorab publizierte Gemeinsame Papier von Diakonie und KWA erläutert Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen), dass mit dem Koalitionsvertrag eine neue Kultur angestrebt werde: Teilhabevereinbarungen zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten würden auf Augenhöhe vereinbart und die Vermittlung in (oft prekäre oder kurze) Arbeitsverhältnisse soll nicht mehr Vorrang vor vollqualifizierenden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen haben. Pascal Kober (FDP) setzt auf eine verständliche und einladende Kommunikation zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten. Er betont, dass sich beide Seiten an die Teilhabevereinbarung gebunden fühlen müssen – eine nur einseitige Verpflichtung lehnt er ab. Dagmar Schmidt (SPD) sagt, dass die geplante Kindergrundsicherung die Situation von Familien verbessern wird und sieht in der Digitalisierung die Chance, den Zugang zu Leistungen zu vereinfachen.

Selbstverständlich beginnt die Arbeit der Regierungskoalition jetzt erst, denn alle geplanten Änderungen am Sozialgesetzbuch müssen weiter konkretisiert und beschlossen werden. Dabei wird auch die Anpassung des Regelsatzes, den Jessica Tatti (LINKE) auf 650 € zu erhöhen fordert, und die Handhabung von Sanktionen weiter zu diskutieren sein. Als konkretes Arbeitsziel formuliert Pascal Kober, dass er eine Lösung für die Einkommenslücke bei Arbeitsaufnahme (denn das erste Gehalt gibt es in der Regel erst am Monatsende) suchen möchte. Aus der Opposition wird Jessica Tatti die Regelungen für Kindergrundsicherung und getrenntlebende Paare im Gesetzgebungsverfahren besonders im Blick behalten.

Fest steht: Die Diakonie Deutschland und der KWA werden die politische Debatte zum Bürgergeld und zu den geplanten Reformen der Sozialpolitik im kommenden Jahr weiter kritisch begleiten.