Evangelische Akademie Thüringen

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Nicht so wichtig? Kunst, Kultur und Kirche im Krieg

Illustration: freshidea AdobeStock
Illustration: freshidea AdobeStock

Man könnte meinen: Haben die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht andere Probleme als sich jetzt mit Kunst und Kultur zu beschäftigten? Diese Frage, zu Anfang des 4. Online-Studientags der Evangelischen Akademien zur Friedensethik provozierend in den Raum gestellt, wurde anschließend in zwei Diskussionsrunden ad absurdum geführt.

Allein dass Russland gezielt Kulturgüter und Kirchen angreift zeigt, welchen Stellenwert beide haben. Aktuelle ukrainische Kunst sei ein Teil des Lebens unter diesen Bedingungen, so Yulia Hnat (Co-founder, Museum of Contemporary Art, Kyiv) im ersten Teil der Veranstaltung. Sie frage doch auch nicht, „ob eine Pflanze wächst – und sie wächst“. Die Osteuropahistorikerin Dr. habil. Anna Veronika Wendland zeigte sich beeindruckt von der Fülle an Kreativität zeitgenössischer ukrainischen Kunst. Auf der Folie eines Vernichtungskriegs sei die Kunstproduktion gegen Vernichtung gerichtet. Dr. Lyudmila Tymoshenko (Soziologin, Autorin, Dramatikerin, Kyiv), die momentan am Schauspiel Stuttgart arbeitet, fasste das Ziel ihrer Arbeit so zusammen: Sie wolle die Verbindung zwischen den Zuschauern und den Menschen in der Ukraine herstellen. Besucher reagierten aufgelöst, schockiert, schon bei einer Geschichte über den Alltag in der Ukraine. Im Theater schalte man nicht überdrüssig um oder weg, sondern höre die ganze Geschichte.

Prof. Dr. Constantin Sigov verschränkte im zweiten Teil die kulturelle und religiöse Dimension. Der ukrainische Religionsphilosoph und Verleger führte aus: Wir müssen unsere Soldaten im Schützengraben nicht fragen: Braucht ihr Brot? Braucht ihr Kleidung? Beides haben sie. Wir fragen sie: Welche Bücher braucht ihr? Gebraucht würden jetzt zudem Gebete und Taten und eine klare Religionskritik des Putinismus.

Kontrovers diskutierten anschließend der bayrische Landesbischof und ÖRK-Vorsitzende Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm auf der einen sowie Prof. Sigov und Pfarrer Bogdan Luka (Ukrainisch griechisch-katholische Kirche Dresden und Leipzig) auf der anderen Seite. Letztere beschrieben die Russisch-Orthodoxe Kirche in ihrer Spitze als politisch komplett korrumpiert. Bogdan Luka hielt auch Teile der Ukrainischen Orthodoxen Kirche für sowjetisch geprägt und ihre neue Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat für unglaubwürdig. Heinrich Bedford-Strohm sprach sich für einen Verbleib der Russisch-Orthodoxen Kirche im ÖRK und weitere Gespräche – auch zwischen den beiden großen orthodoxen Kirchen der Ukraine – aus, an denen er beteiligt ist. Er erwarte überdies auch nicht, dass sich Patriarch Kyrill morgen von Putin lossage, so der ÖRK-Vorsitzende. Aber er hoffe und erwarte, dass sich Menschen durch Gespräche ins Nachdenken bringen lassen.

Über 100 Teilnehmende wurden so Zeugen und per Chat und Wortmeldungen Teil hochaktueller Diskussionen bei einem überaus dichten, informativen und anregenden Online-Studientag.