Evangelische Akademie Thüringen

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Politische Jugendbildung in Kriegs- und Krisenzeiten

Eröffnung des Barcamsp mit (Mitte v.l.) Prof. Ekaterina Makhotina, Marina Weisband, Christian Kurzke, (unten v.l.) Arnd Henze und Ole Jantschek. Foto: © EAT
Eröffnung des Barcamsp mit (Mitte v.l.) Prof. Ekaterina Makhotina, Marina Weisband, Christian Kurzke, (unten v.l.) Arnd Henze und Ole Jantschek. Foto: © EAT

Seit 100 Tagen führt Russland einen grausamen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seit mehr als zwei Jahren hat die Corona-Pandemie die Welt fest im Griff. Und seit noch viel längerer Zeit beschäftigt die Weltgesellschaft die Frage, wie die Klimakrise abzumildern ist. All das zermürbt – nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche. Im Online-Barcamp „wehrhaft – wertvoll. Politische Jugendbildung in Kriegs- und Krisenzeiten“ am 01. Juni eröffnete die Ev. Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung den Raum, darüber ins Gespräch zu kommen. Auf dem Programm stand zunächst ein Auftaktgespräch mit Expert:innen und im Anschluss ein Barcamp, bei dem alle ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen einbringen konnten.

Es stellten sich drei Punkte als wichtig heraus: Erstens müsse Wissen und Kompetenzen gefördert werden. Nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene wüssten viel zu wenig über Osteuropa und seine Geschichte. So schilderte Ljudmyla Melnyk, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Politik e.V. aus Berlin im Auftaktgespräch des Barcamps: „Ukrainer:innen fühlen sich als Europäer:innen, werden aber in Deutschland oft nicht so wahrgenommen.“ Prof. Dr. Ekaterina Makhotina von der Universität Bonn plädierte für eine selbstkritische Erinnerungskultur: „Mit ‚Nie wieder!‚ ist noch nicht alles gesagt.“ Denn es werden Menschen wieder oder immer noch ausgegrenzt, ausgebeutet und an Leib und Leben bedroht, ohne dass Deutschland eingreife oder daraus aussteige. Ein weiterer wichtiger Wissensaspekt ist Medienkompetenz, die entscheidend ist, um in den Wirren der Kriegsberichterstattung und den Diskussionen auf Social Media-Plattformen nicht die Orientierung zu verlieren. Im Barcamp wurden hierfür mehrere Sessions angeboten, die sich um Wissens- und Kompetenzvermittlung drehten. So wurde die aktuelle friedensethische Debatte in zwei Sessions diskutiert, ein Blick auf Krisenberichterstattung in Kindernachrichten geworfen und Methoden im Umgang mit Fakenews zum Krieg vorgestellt.

Zweitens ist Resilienzförderung eine zentrale Aufgabe politischer Bildung. Marina Weisband, Diplompsychologin und Autorin, plädierte im Auftaktgespräch dafür, Räume für Begegnung zu schaffen: „Wir können einander helfen“, sagte sie. Diese Erfahrung zu machen und mitgestalten zu können, stärke gesellschaftlichen Zusammenhalt und individuelle, psychische Gesundheit.

Drittens ist es auch entscheidend, mit der eigenen Krisenmüdigkeit und Hilflosigkeit reflektiert, achtsam und offen umzugehen. Dies zeigte zum einen eine Session zu dialogischen Formaten zu Krieg und Krisen. Nur wer in Kontakt mit sich selbst steht, kann offen für die Emotionen der Teilnehmenden in Bildungsangeboten sein. Hier ist es wichtig sich klarzumachen, dass man auch als Lehrerin oder Jugendmitarbeiter nicht jede Frage zu den Hintergründen des Kriegs direkt erläutern können muss, oder zugeben kann, dass gerade niemand weiß, wie es in der Ukraine und Europa weitergeht.

Die einzige Antwort auf all diese Krisen könne nur das Bemühen darum sein, wie wir demokratischer werden können – so Ole Jantschek, Pädagogischer Leiter der Ev. Trägergruppe. Gerade in Krisenzeiten müssen wir als Gesellschaft zusammenrücken, empathisch sein und Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen, um der Hilflosigkeit und der Krisenmüdigkeit die Stirn zu bieten.

Das Barcamp war eine gemeinsame Veranstaltung mehrerer Netzwerkstellen der Ev. Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung unter Federführung der Evangelischen Akademie Sachsen.