Evangelische Akademie Thüringen

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Religiöser Kahlschlag

Podium mit Dr. André Demut, Ilse Junkermann, Prof. Dr. Thomas Brechenmacher, Anne Rademacher, Matthias Gehler (Moderation). Bild: EAT/SK
Podium mit Dr. André Demut, Ilse Junkermann, Prof. Dr. Thomas Brechenmacher, Anne Rademacher, Matthias Gehler (Moderation). Bild: EAT/SK

Die Diagnose war heftig: Nach dem „DDR-Säkularisierungsdauerstress“ sei im Osten der „religiöse Kahlschlag“ zu begutachten, ein zweifelhafter Erfolg der SED-Religionspolitik. Anders als im Westen, wo Kirchenbindung und Kirchenmitgliedschaft kontinuierlich zurückgingen, gäbe es hier beispiellose Abbrüche.

Darin waren sich die Gäste des Podiums beim Ökumenischen Gesprächsforum „Im Sog der Säkularisierung?“ am 27. September in Erfurt weithin einig. Doch was ist angesichts dieser Diagnose zu tun? Gegen Ende der zweistündigen Veranstaltung fasste ein Teilnehmer die Diskussion mit den Worten zusammen: „Die Ideen und Gedanken gehen in alle Richtungen. Man könnte eine ganze Woche dazu machen.“

Hier jetzt nur zwei dieser Ideen und Gedanken:

Es gibt Menschen im Osten, für die ist Religion ein komplett weißes Blatt. Das Blatt ist mittlerweile so weiß, dass vorurteilsfreie Resonanz auf religiöse Fragen und Botschaften möglich ist und der Kahlschlag mitunter als verheißungsvolle offene Landschaft erscheint.

Es kommt auf den Kern des Evangeliums an. Die Menschen müssen spüren und erfahren: Du bist voraussetzungslos angenommen. Denn was nicht angenommen ist, das kann auch nicht verwandelt werden. Wir brauchen dazu offene Räume und einfache Rituale, die gerade in Krisenzeiten tragen.

Also doch kein Verschwinden von Religion? Nein, Religion verschwindet nicht, aber transformiert sich irgendwie, so hieß es.

Bildung in christlicher Verantwortung ist nach 1990 eine Erfolgsgeschichte. Christliche Kindergärten und Schulen sind stark nachgefragt. Auch Nichtkonfessionelle legen Wert auf Bildung und Erziehung ihrer Kinder nach den Maßstäben eines christlichen Menschenbilds. Das gilt auch für die außerschulische Jugendbildung, wie sie etwa in der Jugendbildungsstätte Junker Jörg maßgeblich in der Verantwortung des Evangelischen Akademie betrieben wird, die ausdrücklich erwähnt wurde.

Ein Landrat meinte: Er sähe überhaupt keine Säkularisierung. Er spräche in seinem Landkreis von einer Kultivierung durch evangelische wie katholisch Christen im bürgerschaftlichen und kulturellen Engagement, in Wahlämtern, Kirchbauvereinen, Chören.

Also ist noch etwas dran am vielgescholtenen Bildungs- und Kulturprotestantismus und -katholizismus? Man könnte meinen: Ja.