Evangelische Akademie Thüringen

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Runter vom hohen Ross: Protestantismus und Ritterlichkeit

  • Christfried Boelter, Vorsitzender des Vereins „Kirche und Tourismus“ Reinhardsbrunn, in der Rolle des „Junker Jörg“. Foto: © Wuttke/EAT
    Christfried Boelter, Vorsitzender des Vereins „Kirche und Tourismus“ Reinhardsbrunn, in der Rolle des „Junker Jörg“. Foto: © Wuttke/EAT
  • Prof. Dr. Christopher Spehr, FSU Jena, spricht über „Wüstenerfahrung und Tatendrang. Martin Luther auf der Wartburg 1521/22“. Foto: © Wuttke/EAT
    Prof. Dr. Christopher Spehr, FSU Jena, spricht über „Wüstenerfahrung und Tatendrang. Martin Luther auf der Wartburg 1521/22“. Foto: © Wuttke/EAT
  • „Brauchen Gesellschaft und Kirche mehr Ritterlichkeit?“ Abschlusspodium mit Michael Wegner, Dr. Thomas A. Seidel, Dr. Sebastian Kranich und Dr. Ellen Ueberschär. Foto: © Wuttke/EAT
    „Brauchen Gesellschaft und Kirche mehr Ritterlichkeit?“ Abschlusspodium mit Michael Wegner, Dr. Thomas A. Seidel, Dr. Sebastian Kranich und Dr. Ellen Ueberschär. Foto: © Wuttke/EAT

Bei Martin Luther war es anders: Als ungeübter Reiter kam der Augustinermönch am 4. Mai 1521 auf der Wartburg an. Besser reiten musste er in seiner Wartburgzeit erst noch lernen. Für ihn hieß es dann bei seinem Ritt inkognito nach Wittenberg: Hinauf aufs Ross. Doch blieb ihm die adlige Lebensweise eher fremd. Die Ritterkost vertrug er nicht und der Jagd konnte er nichts abgewinnen.

Am Anfang der Tagung „Alias Junker Jörg“ ließ sich viel historisch Detailliertes über Martin Luthers Zeit im „Reich der Vögel“ und zur aktuellen Debatte um die Datierung der ersten Darstellung des Reformators mit Bart – 1537 oder 1521? – erfahren.

Dann standen „der Adel“ bei Meister Eckart und die Legende vom heiligen Georg auf dem Programm. Der adlig geborene Eckart predigte, dass alle Menschen „edel“ seien und relativierte so die Standesprivilegien. Der wohltätige Drachentöter Georg wiederum wurde zur Chiffre einer humanistisch ausgelegten Ritterlichkeit.

Für den geistlichen Ritterorden der Johanniter galt schon im 11. Jahrhundert: „Die Kranken sind die Herren“. Was das für den Johanniterorden heute bedeutet, wurde im zweiten Teil der Tagung intensiv diskutiert. Auch gegenwärtig sind dessen Mitglieder eher Privilegierte, die sich ganz praktisch um Alte, Kranke und Kinder kümmern. Ihre Ritterschaft verstehen die Johanniter metaphorisch – wenn es um Waffen und Rüstung geht, so sind diese geistlich gemeint.

Das Engagement der Johanniter-Unfall-Hilfe, der Betrieb von Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten, Wohnprojekten zeugen von einem spezifisch christlichen Engagement in der Gesellschaft.

Am Ende der Tagung wurde klar: Zum nationalistischen Ritterbild des „Junker Jörg“, wie ihn das 19. und frühe 20. Jahrhundert sah und wie es etwa im Junker-Jörg-Jubiläum 1921 in Eisenach gezeichnet wurde, führt kein Weg zurück. Schon gar nicht in der Interpretation Luthers, wie sie der Liedermacher Stephan Krawczyk in seinem Programm „erdverbunden – luftvermählt“ bot.

Für die Johanniter heißt es auch heute: „Runter vom hohen Ross“. Entscheidend – auch für die Bruderschaft St. Georgs-Orden – bleibt die Zuwendung zu Gott und zum Mitmenschen. In diesem Sinne können die alten ritterlichen Tugenden Gerechtigkeit, Tapferkeit, Weisheit und Mäßigung neu gelebt werden.