Evangelische Akademie Thüringen

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Russki Mir

Russische Propaganda-Landkarte, nach der das Staatsgebiet der Ukraine aus „Geschenken“ des Zaren, Lenins, Stalins und Chruschtschows besteht, vorgestellt von Prof. Dr. Jörn Happel (Uni Hamburg).
Russische Propaganda-Landkarte, nach der das Staatsgebiet der Ukraine aus „Geschenken“ des Zaren, Lenins, Stalins und Chruschtschows besteht, vorgestellt von Prof. Dr. Jörn Happel (Uni Hamburg).

Täuschend ähnlich ist der Schienenabstand zwischen Russland und Deutschland. Tatsächlich differiert die Spurweite um 10 cm. Mit diesem Beispiel traf der in der Ukraine geborene gelernte Maschinenbauer, Pfarrer und Friedensbeauftragte der Bremischen Landeskirche Andreas Hamburg den neuralgischen Punkt des fünften digitalen Studientags der Evangelischen Akademien zur Friedensethik. Denn vieles, was so ähnlich aussieht in Ost und West, differiert bei genauem Hinsehen.

Das gilt insbesondere für die Ideologie des „Russki Mir“, die hinter dem russischen Imperialismus steht. Wer einmal russisch gelernt hat, der weiß: „Mir“ kann „Welt“, „Frieden“ oder „Gemeinschaft“ heißen. Ein religiös und emotional aufgeladener Raum des Russischen wird so zum Anspruch auf Länder und Gebiete wie dem der Ukraine. Dr. Oleksandr Zabirko (Uni Regensburg) führte dazu aus: Während Großbritannien, Frankreich und Spanien postimperiale Narrative entwickelt haben und in Deutschland von „deutschsprachigen Ländern“ geredet wird, ist Russland akut imperialistisch.

Prof. Dr. Jörn Happel (Uni Hamburg) präsentierte diesbezüglich verschiedene Landkarten. Eine, die seit zwei Jahren in Russland verbreitet wird, zeigt die Ukraine als Konglomerat „russischer Geschenke“ – des Zaren, von Lenin, Stalin und Chruschtschow. Putin inszeniere sich als „Oberhistoriker“ und als „Feldherr“ über Karten gebeugt, so Happel. In der Diskussion am Ende des Studientags ging es allerdings rasch wieder um den altvertrauten US-amerikanischen Imperialismus.

Welche psychischen Folgen der russische Angriffskrieg für in Deutschland lebende Menschen aus der Ukraine zeitigt, wurde in den Ausführungen von Prof. Dr. Beate Mitzscherlich (HS Zwickau) deutlich. Die zivilgesellschaftlich im EuropaMaidan Leipzig e. V. engagierte Psychologin beschrieb eindrücklich, wie deren psychosoziale Situation vom Kriegsverlauf geprägt ist. Zugleich gelte es für aus der Ukraine Geflüchtete im deutschen Hier und Jetzt zu leben.

Und die Aussichten? Beate Mitzscherlich schätzte: Ein Drittel bis die Hälfte der Geflüchteten wollten nicht zurück in ihr zerstörtes Land. Susanne Müller (Brot für die Welt) nannte drei Punkte zum Wiederaufbau. Und Andreas Hamburg reagierte mit: „Gutes Hoffen und Böses ahnen“. 40 Jahre habe die Wüstenwanderung des Volkes Israel gedauert. 40 Jahre nach Ende der Sowjetunion könne Zeit sein für etwas anderes – in der Ukraine eher als in Russland. Angesichts der Traumatisierung gehörten große zukunftsweisende Konzepte jedoch in den Bereich der Prophetie.

Die Veranstaltung wurde mitgeschnitten und wird demnächst auf unserem YouTube-Kanal zu sehen sein. Außerdem ist eine epd-Dokumentation geplant.