Evangelische Akademie Thüringen

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Schluss mit verkopft!

  • Im Workshop erarbeiteten die Teilnehmenden Forumtheaterszenen und erprobten so die Methode für ihre Bildungsarbeit. Foto: © Till Baumann
    Im Workshop erarbeiteten die Teilnehmenden Forumtheaterszenen und erprobten so die Methode für ihre Bildungsarbeit. Foto: © Till Baumann
  • Die praktische Arbeit bezog sich stets auf das unmittelbare Erleben der Teilnehmenden. Foto: © Till Baumann
    Die praktische Arbeit bezog sich stets auf das unmittelbare Erleben der Teilnehmenden. Foto: © Till Baumann
  • Neben dem praktischen Tun spielten die theoretischen Hintergründe nach Augusto Boal und dem Pädagogen Paulo Freire eine große Rolle. Foto © Till Baumann
    Neben dem praktischen Tun spielten die theoretischen Hintergründe nach Augusto Boal und dem Pädagogen Paulo Freire eine große Rolle. Foto © Till Baumann

„Weißt du eigentlich, was du uns damit antust?!“ Der Vater starrt seine Tochter wütend an. „Ja, was sollen die Nachbarn denken?“ Auch die Mutter wird laut. „Aber ich liebe Paula!“, verzweifelt schaut die Tochter zwischen ihren Eltern hin und her.

Das Publikum hält den Atem an und schaut gebannt auf die Szene, die im Seminarraum „Drachenhort“ in der Jugendbildungsstätte Junker Jörg am Mittwochvormittag gezeigt wird. Sie geht unter die Haut und entstammt direkt dem (Er)Leben der Menschen, die sie auf die Bühne bringen. Das spürt man und es sorgt dafür, dass man sich der Verzweiflung und dem gezeigten Konflikt nicht entziehen kann.

Die Szene ist ein Ergebnis von drei Tagen Arbeit im Schnupper-Workshop „Forumtheater in der politischen Bildung“, der bereits zum zweiten Mal in Eisenach mit dem Theaterpädagogen Till Baumann stattfand. Die Methode stammt aus dem brasilianischen „Theater der Unterdrückten“ nach Augusto Boal und hat das Ziel, Menschen durch theatralen Ausdruck Situationen von Diskriminierung und Unterdrückung aus ihrem Leben auf die Bühne bringen zu lassen. Dabei nehmen diese Szenen einen denkbar schlechten Ausgang: Machtverhältnisse bleiben bestehen, Konflikte eskalieren, Unterdrückte verbleiben in ihrer Rolle… Forumtheater macht Missstände sichtbar und Menschen sprach- oder ausdrucksfähig. Aber dabei bleibt es nicht. Denn im zweiten Schritt öffnet sich die Bühne und lädt das Publikum – bzw. das Forum – dazu ein, Ideen einzubringen, was sich verändern ließe. Diese können dann direkt ausprobiert werden: Was passiert, wenn ich Diskriminierung laut widerspreche? Oder sie hinterfrage? Oder das Setting der Situation verändere? Oder andere zu Hilfe hole? Oder… ?

Am Workshop nahmen Haupt- und Ehrenamtliche aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Bildungsarbeit teil. In der Reflexionsrunde resümiert eine Teilnehmerin: „Ein Konflikt ist nie das Ende. Es gibt immer mehr als einen Ausweg und es geht nie um richtig oder falsch, sondern darum, verschiedene Perspektiven ins Leben zu holen.“ Andere Teilnehmende freuen sich darüber, im Workshop einen Einblick in eine Methode gewonnen zu haben, die körperlich, spielerisch und ohne viele Worte funktioniert: „Großartig, dass wir mal nicht verkopft gearbeitet haben, sondern mit ganz viel Emotion!“ Und ganz nah an politischen Themen wie Homophobie, Sexismus, Populismus oder Meinungsfreiheit war der Workshop dennoch – oder gerade deshalb!

Die Veranstaltung war eine Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen und der IG Metall Jena-Saalfeld und Gera.