Evangelische Akademie Thüringen

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Schmunzeln, Sorge, Trotz - Augustinerdiskurs zur Demokratie

  • v.l.n.r.: Sebastian Kranich (EAT), Christoph Bender (LZT), Agnès Arp (Uni Erfurt), Christina Morina (Uni Bielefeld), Niklas Wagner (Katholisches Forum). Foto: (c) Lübbers/EAT
    v.l.n.r.: Sebastian Kranich (EAT), Christoph Bender (LZT), Agnès Arp (Uni Erfurt), Christina Morina (Uni Bielefeld), Niklas Wagner (Katholisches Forum). Foto: (c) Lübbers/EAT
  • Die Autorin Christina Morina stand beim Podium Rede und Antwort zum Hintergrund ihres Buches. Foto: (c) Zubarik/EAT
    Die Autorin Christina Morina stand beim Podium Rede und Antwort zum Hintergrund ihres Buches. Foto: (c) Zubarik/EAT
  • Niklas Wagner moderierte das Gespräch mit der Autorin und dem zahlreich erschienenen Publikum. Foto: (c) Zubarik/EAT
    Niklas Wagner moderierte das Gespräch mit der Autorin und dem zahlreich erschienenen Publikum. Foto: (c) Zubarik/EAT

Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse. Das muss man erst einmal schaffen. Gelungen ist es Christina Morina in der Kategorie Sachbuch für „Tausend Aufbrüche. Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er Jahren“.

So waren bei Biergartenwetter 40 Gäste zum Augustinerdiskurs am 8. April gekommen, um die Zeithistorikerin im Gespräch zu erleben. Doch das war noch nicht alles, was der Abend im Augustinerkloster zu Erfurt bot.

Als „Ort der Demokratiegeschichte“, Ort des Erfurter Unionsparlaments 1850 und Versammlungsort in der Friedlichen Revolution sei das Kloster mit seiner Kirche gut geeignet für diese Veranstaltung, so Akademiedirektor Sebastian Kranich einleitend.

Das knapp einstündige Gespräch mit der Autorin führte Niklas Wagner, Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Erfurt, eng an Aufbau und Thesen des Buches entlang. Damit war ein guter Überblick über dessen Inhalt zu gewinnen.

Dabei gab es freundliche Schmunzel-Momente über die Ankündigung eines Westdeutschen im Brief an den Bundespräsidenten, seinen Wahlzettel – und den seiner Frau – zurückzuschicken, wenn sich nichts ändere; oder über die Idee der Direktwahl von Schuldirektoren in der Friedlichen Revolution.

Zugleich ging es eingehend analytisch um unterschiedliche Demokratieverständnisse in West und Ost, die sich teilweise, aber nicht nur, aus der Teilungsgeschichte und den Erfahrungen der Transformationszeit erklären lassen. Ein wesentlicher Punkt dabei waren direktdemokratische Vorstellungen und plebiszitäre Elemente, die im Westen in den späten 1980er Jahren Widerhall fanden, in der Friedlichen Revolution – Stichwort Basisdemokratie – und im DDR-Verfassungsentwurf 1990 eine große Rolle spielten, jedoch von der Gemeinsamen Verfassungskommission auf Bundesebene nicht aufgenommen wurden und jetzt von der AFD selektiv übernommen werden.

Jene Partei schaffe es, durch symbolische Ansprache Stimmungen zu sammeln. Gerade im Osten sei ein „solidarischer Patriotismus“ anschlussfähiger, wie die Umfrageergebnisse für AFD und BSW zeigten, so Morina. Dennoch sähe sie das Glas halbvoll, da die Mehrheit auch hier zur parlamentarischen Demokratie stünde. Doch sei die geringe Wahlbeteiligung der Mitte ein Problem. Mit Jürgen Habermas plädierte sie für einen neuen Gestaltwandel der Öffentlichkeit. Denn ohne Öffentlichkeitsstruktur mit halbwegs rationalen Diskussionen funktioniere liberale Demokratie nicht.

Das war Stoff genug für drei Stuhlkreise, die sich im Anschluss – angeregt auch durch die Rückfrage-Runde – zusammenfanden. Beginnend mit einer „Demokratieerfahrung im engeren Sinne“ kamen die Teilnehmenden ins Gespräch. Oft bildeten Anekdoten um 1989/90 den Einstieg. Bald aber ging es um die Gegenwart – ganz ähnlich wie im Aufbau des Buches. Die Stimmung war besorgt, teils unzufrieden, aber auch trotzig-entschlossen pro Demokratie. Beim Imbiss danach diskutierten manche noch lange im Stehen weiter. Ein gutes Zeichen.