Evangelische Akademie Thüringen

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Schönste Zeit oder Hölle: Heimerziehung in der DDR

  • Die DENKOrte-Tafel am Eingang der Veste Heldburg. Foto: © Kranich/EAT
    Die DENKOrte-Tafel am Eingang der Veste Heldburg. Foto: © Kranich/EAT
  • Im ehemaligen Mädchen-Schlafraum. Manfred May, Künstler und Therapeut, beim Rundgang durch die Räume des einstigen Heimes. Foto: © Kranich/EAT
    Im ehemaligen Mädchen-Schlafraum. Manfred May, Künstler und Therapeut, beim Rundgang durch die Räume des einstigen Heimes. Foto: © Kranich/EAT
  • Veste Heldburg: Burgenromantik und einstiges DDR-Kinder- bzw. Sonderschulheim. Foto: © Kranich/EAT
    Veste Heldburg: Burgenromantik und einstiges DDR-Kinder- bzw. Sonderschulheim. Foto: © Kranich/EAT

Im südlichsten Zipfel Thüringens überragt die Veste Heldburg eine liebliche Landschaft. Wie ein Märchenschloss krönt sie eine bewaldete Bergkuppe. In der trotzigen Burg verspricht das Deutsche Burgenmuseum Ritterromantik. Doch hat der Ort noch eine andere Geschichte. Von 1954 bis 1982 befand sich hier ein Kinder- bzw. Sonderschulheim.

Wie mit dieser Geschichte umgehen? Wie und wo und in welcher Weise auf der Burg daran erinnern? Diese Fragen bewegen einstige Heimkinder und ehemalige Erzieherinnen und Erzieher stark. Das wurde sicht- und hörbar bei einem Rundgang durch die Räume des einstigen Heimes und einer anschließenden Podiumsdiskussion am 30. Oktober im Rahmen des Weimarer Rendezvous mit der Geschichte.

Erfahrungen seelischer und körperlicher Gewalt wurden mitgeteilt. Kurz darauf ging es um lustige Alltagsmomente. Verantwortliche von damals schilderten ihr Bemühen, die Kinder, die teils aus sozial schwachen Familien kamen, gut zu erziehen. Doch ließ das die Rahmenbedingungen einer sozialistischen Kollektiverziehung und aus heutiger Sicht fragwürdige Erziehungsmethoden bis hin zu unentschuldbaren Übergriffen nicht vergessen.

In der von Akademiedirektor Sebastian Kranich moderierten Veranstaltung betonte der Künstler und Therapeut Manfred May (Gesprächskreis Betroffene DDR-Heimerziehung): Unterschiedliche Erfahrungen ließen sich nebeneinanderstellen aber nicht ausbalancieren. Mit dem völlig glaubwürdigen Satz „Ich habe hier die schönste Zeit meiner Kindheit verbracht“ ließe sich eine Vergewaltigung nicht wegnehmen.

Prof. Dr. Anke Dreier-Horning (Deutsches Institut für Heimerziehungsforschung) ordnete das Heim auf der Heldburg in das Kinder- und Jugendheimsystem der DDR ein, welches – anders als in anderen sozialistischen Ländern – dem Ministerium für Volksbildung zugeordnet war, und beschrieb Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Heimerziehung in der Bundesrepublik.

Mit Dr. Franz Nagel (Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten) und Adina Rösch (Direktorin des Burgenmuseums) wurde vor allem diskutiert, wie und in welchen Räumen sich ein Denk- und Erinnerungsort an das Kinder- bzw. Sonderschulheim entwickeln lässt.

Ein Anfang dazu ist gemacht. Am Eingang der Burg erinnert eine DENKOrte-Tafel an deren Nutzung von 1954 bis zum Brand der Burg 1982, die Gespräche im Ort und Diskussionen im Museumsshop provoziert.