Evangelische Akademie Thüringen

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Theologe sammelt Geld für Scharfschützen-Gewehre

Foto: © shutterstock_evan_huang
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Wäre das in Deutschland denkbar? In der Ukraine ist es der Fall: Ein Theologe sammelt Geld für über 50 Scharfschützen-Gewehre, ein Schauspieler wirbt innerhalb von Tagen 10 Millionen Euro für den Kauf von Kampfdrohnen für die Armee ein. Mit diesen Beispielen illustrierte der ukrainische orthodoxe Theologieprofessor Dr. Sergii Bortnyk (Kyiv), wie seine Landsleute freiwillig und zivilgesellschaftlich den Kampf gegen die russische Aggression unterstützen.

Auch für die beiden lutherischen Theologen aus Osteuropa stand bei der zweiten friedensethischen Online-Tagung von acht Evangelischen Akademien zum Ukraine-Krieg außer Frage: Es ist nötig gegen den Aggressor zu kämpfen.

Propst Tauno Toompuu (Rakvere, Estland) beschrieb seinen Abschied von der „schönen Idee“ des Pazifismus, die sich mit „friedvollen Nachbarn“ leben lasse. Aber in seinem kleinen Land herrsche eine andere Situation. Die Welt sei kein Paradies. Wir lebten in einer gebrochenen Welt, in einer Situation der Sünde.

Für Erzbischof em. Dietrich Brauer (ehemaliger Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland) ist die „Sache Gottes offenbar geworden“. Der russische Staat zeige sich „als Moloch“. Das Evangelium rufe zu wachsamem Glauben, zu Widerstand und Schutz für diejenigen, die unter die Räuber gefallen sind. In Russland hätten die Menschen einfach Angst. Mehr noch als diese glaube ein Teil der Russlanddeutschen hierzulande der russischen Propaganda. Doch müsse man auch an diejenigen denken, die in Russland etwas gegen den Krieg zu tun versuchen – an das eine von 99 Schafen: Nicht alle seien blind und feige.

Auch die beiden deutschen Stimmen widersprachen dem nicht grundsätzlich. Dr. Jakob Stürmann (stellv. Vorsitzender Aktion Sühnezeichen Friedensdienste) stellte klar, dass ASF keinen unbedingten Pazifismus vertrete. Er schilderte, wie zivilgesellschaftlich aktive ukrainische Männer und Frauen nun nach persönlicher Entscheidung an der Front kämpften. Die osteuropäischen Warnungen vor dem russischen Imperialismus seien ernst zu nehmen. Frieden und Freiheit müssten zusammen gedacht, die Freiheit könne derzeit nur militärisch verteidigt werden.

Regionalbischof Dr. Johann Schneider (Ev. Kirche in Mitteldeutschland) schilderte die Ratlosigkeit zu Kriegsbeginn darüber, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche ihre eigenen Grundsätze mit Füßen tritt. Die Solidarität im Denken und Fühlen gelte den Opfern. Paternalistische deutsche Handlungsratschläge an die Ukraine würden sich verbieten. Die Situation gewendet auf die eigene Landeskirche bedeute: „Kirche des gerechten Friedens werden“ müsse als Prozess völlig neu gedacht werden.

Die 100 Teilnehmenden erlebten am 18. Oktober einen intensiven Nachmittag und diskutierten im Chat rege mit. Schmerzhaft offen blieb die Frage, wie es nach all dem weitergehen soll.

Die Beiträge des Referenten und der Podiumsteilnehmer wurden aufgezeichnet und werden demnächst online zur Verfügung gestellt.