Evangelische Akademie Thüringen

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Von Windkraft, Stadtflucht und Dorfnazis: Juli Zehs Dorfromane im Fokus

Beim Online-Panel "Literarische Landsichten" ging es um die Autorin Juli Zeh. Foto: © Zubarik/EAT
Beim Online-Panel "Literarische Landsichten" ging es um die Autorin Juli Zeh. Foto: © Zubarik/EAT

Zwei Romane derselben Autorin standen am Samstag, den 9. April auf dem Programm der Online-Veranstaltung „Literarische Landsichten“: Unterleuten und Über Menschen von Juli Zeh. Beiden gemein ist der Handlungsort im ostdeutschen ländlichen Raum. Während der Roman Unterleuten, der 2016 auf den Buchmarkt kam, multiperspektivisch vom Zusammenprall unterschiedlicher Interessen der Dorfbewohner:innen – sowohl der kürzlich zugezogenen als auch der lang angestammten – erzählt, steht in Zehs jüngstem Buch Über Menschen von 2021 eine städtische Protagonistin und ihre Sicht auf die neue Erfahrung des Dorflebens im Mittelpunkt.

Im Verlauf der zweistündigen Zoom-Konferenz hörten die Teilnehmenden zwei wissenschaftliche Fachbeiträge und diskutierten deren Thesen. Dr. Julia Stetter von der Ruhr-Universität Bochum sprach über polyvalente Landsichten in Unterleuten und verglich dabei den Text mit der Filmadaption, einer dreiteiligen Serie, die im März 2020 im ZDF ausgestrahlt wurde. Dr. Tilman Venzl von der Universität Bielefeld nahm in seinem Vortrag unter dem Titel „Das Dorf als Brennpunkt der politischen Kultur: Juli Zehs Dorfromane und die Krise der Demokratie“ die kritische Rezeption von Über Menschen in den Blick.

Im anschließenden Gespräch ging es um vielerlei Fragen, unter anderem auch darum, wie die freundschaftliche Beziehung zwischen den Hauptfiguren Dora, die als Werbetexterin während der Corona-Pandemie aus Berlin aufs Land geflohen ist, und den in einem Bauwagen hausenden Gote, der sich selbst als „Dorfnazi“ bezeichnet, zu bewerten ist. In dieser Hinsicht provoziert Juli Zeh mit ihrem neuesten Roman noch mehr polemische Reaktion als bereits in ihren vorherigen Werken. Und so ist am Ende der Veranstaltungszeit die Diskussion noch ganz im Gange und keinesfalls an ihrem Ende. Ein gutes Zeichen – zeigt es doch, dass es über die unterschiedlichen Lektüren dieser Romane noch viel zu reden gibt und man sich andernorts weiter damit auseinandersetzen kann und muss.