Evangelische Akademie Thüringen

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"Wie doch alles zusammenhängt..." - Literaturbegeisterte im Netz der Bücher

Literarische Runde im Gartenpavillon des Zinzendorfhauses. Foto: © Zubarik/EAT
Literarische Runde im Gartenpavillon des Zinzendorfhauses. Foto: © Zubarik/EAT

Am Mittwoch Abend, 17. August, ging der Literarische Garten in die diesjährig zweite Runde. Zwölf Lesebegeisterte trafen sich und stellten ihre ausgewählten Bücherfunde vor. Dabei gab eins das andere, denn die thematischen Verbindungen rissen bei aller Vielfalt der Autoren und literarischen Gattungen nicht ab: Geschichtliches, Geographisches, Philosophisches und Poetisches durchzog den Abend und spann ein feines Netz der Bezüge zwischen den Anwesenden und ihren vorgelegten, teils auch vorgelesenen Texten.

Den Auftakt machte Delia Owens Roman Der Gesang der Flußkrebse von 2018, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt und das Schicksal eines auf sich allein gestellten Mädchens im Marschgebiet von North Carolina erzählt. Danach ging die Reise – für die Lesenden, die das Buch vorstellten, buchstäblich, denn sie sind der Geschichte nachgereist – in die Pyrenäen. Dort führte zur Nazizeit ein Schmugglerpfad, die sogenannte F-Route, als Fluchtweg von Frankreich nach Spanien, auf dem auch Walter Benjamin kurz vor seinem Tod einst ging. Lisa Fittko, die viele Flüchtende auf diesem Pfad begleitete, erinnert sich in ihrem 1985 veröffentlichten Buch Mein Weg über die Pyrenäen an die Jahre 1940 bis 41.

Kein Novum beim Literarischen Garten, aber immer eine willkommene und seitens der Autor:innen auch mutige Gabe ist die Präsentation eigener Werke. Diesmal gab es gleich zwei Personen, die etwas aus der eigenen Feder mitgebracht hatten: In Anlehnung an das berühmte Fuchs-Kapitel aus Antoine de Saint-Exupérys Kleinem Prinzen schrieb eine Autorin eine Kurzeschichte, die in der Anthologie Novum #9 veröffentlicht wurde; ein jagdaffiner Autor las aus seinem neuesten Buch 57 Wilde Gerichte aus dem Wald vor, das bei weitem nicht nur als Rezeptsammlung zu verstehen ist, sondern Interessantes und Amüsantes zur Kulturgeschichte des Jagens und zu Hintergrund und Herkunft von Gerichten beinhaltet.

Eine weitere Hörprobe erhielten die Teilnehmenden aus der Audiobuchfassung von Karl Ove Knausgårds monumentalem Roman Der Morgenstern, und zwar aus dem Essay „Über den Tod und die Toten“ – keine einfache Kost, mitunter auch als Milieustudie schonungslos, aber auf jeden Fall ein Literaturtipp erster Güte.

Neben Norwegen kam aber auch Island literarisch zum Zuge: Aus einer Sammlung isländischer Lyrik von der Wikingerzeit bis zur Moderne wurde ein Gedicht zitiert, das exemplarisch die Reichhaltigkeit der Motive einer „Insel am Rande der Welt“ zeigte. Entfacht wurde dadurch die Debatte um die Übersetzungsarbeit von Lyrik und den Verlust entweder formaler oder inhaltlicher Detailtreue.

Die Frage, ob es sich leicht oder schwierig liest, kam schon bei Knausgård auf und wiederholte sich bei Frank Herberts inzwischen klassischer Sci-Fi-Romanserie Dune, der Wüstenplanet aus den 60er Jahren. Der Vergleich mit Tolkiens fiktivem Universum fiel, in das man sich auch erst einarbeiten muss. Und auch hier ging es, wie mehrfach an diesem Abend, um die unvermeidlichen Einschränkungen der Verfilmung(en).

Pure Herzensangelegenheiten verhandelt dagegen Jane Austens letzter und erst 1818 postum veröffentlichter Roman Persuasion – kürzlich neu verfilmt, dem ein eher langsamer Duktus und ein zunehmend introspektiver Stil nachgesagt wird. Die Liebe spielt ebenso in Hanns-Josef Ortheils jüngstem Buch Der von den Löwen träumte eine Rolle, der seinen Stoff aus Hemingways Reise nach Venedig im Jahr 1948 bezieht, wo der Autor sich in eine junge Venezianerin verliebte und an dem späteren Kurzroman Der alte Mann und das Meer arbeitete.

Einer anderen italienischen Stadt widmete sich der Autor und Professor für Alte Geschichte Michael Sommer in seinem erst kürzlich erschienenen Sachbuch Dark Rome. Das geheime Leben der Römer. Fasziniert war die Leserin, die den Titel mitbrachte, vor allem von der wilden und facettenreichen Sittengeschichte und den bizarren Details zu mitunter ganz alltäglichen Verrichtungen.

Bei diesem breiten Spektrum der Lektüren war für jede und jeden etwas dabei, was auf die Liste der noch zu lesenden Bücher passt, und so ging man, bereichert und angeregt durch gute Gespräche, an diesem lauen Sommerabend auseinander – wobei das eine oder andere Buch am Ende noch den Besitzer wechselte.