Evangelische Akademie Thüringen

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Web statt Wiese? Jugend und Corona

Nach der Schule mit Freunden abhängen - für Jugendliche ist das derzeit nicht möglich. Alternativ trifft man sich z.B. auf digitalem Wege. Foto: Gaelle Marcel/unsplash
Nach der Schule mit Freunden abhängen - für Jugendliche ist das derzeit nicht möglich. Alternativ trifft man sich z.B. auf digitalem Wege. Foto: Gaelle Marcel/unsplash

Wer in den vergangenen Tagen und Wochen die eigenen vier Wände für einen Spaziergang oder etwas Zeit draußen verließ, dürfte vielen verwaisten Orten des sonst täglichen Lebens begegnet sein. Leere Parks, Spiel- und Sportplätze oder Skaterrampen, die mit Absperrband gegen Benutzung gesichert sind. Geschlossene Kitas, Schulen und Jugendtreffs, geschlossene Bars und Cafés, kein Fußballtraining und abgesagte Fahrten und Events – für junge Menschen brechen durch die notwendigen Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 in diesen Tagen viele Orte weg, die soziale Nähe bedeuten. Orte, die sonst auch Raum für Rückzug, Austausch und Erleben bieten. Zu diesen Einschränkungen kommen die Sorgen um verschobene Schul- und Ausbildungsabschlüsse und damit die Frage nach der unmittelbaren Zukunft.

Wie gehen Jugendliche und junge Erwachsene damit um? Was tritt in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen und des Abstands an die Stelle des nachmittäglichen Treffens mit Freunden, eines Kinobesuchs oder der Gespräche auf dem Schulhof? Wohin mit der Energie, wenn man sich nicht zum Sport verabreden kann? Und wo liegen neue Rückzugsorte für Jugendliche, wenn sie 24/7 bei Eltern und Familie sind? Es werden andere Wege gegangen, auch von Zuhause aus mit der Welt zu interagieren. Dabei kann jede und jeder für sich eigene Strategien finden, wie beispielsweise UNICEF es beschreibt. Ablenkung, die Vernetzung mit Freunden oder vielleicht ein neues Hobby – das alles kann helfen, Ängste von Isolation, Einsamkeit und das Gefühl, den Anschluss zu verlieren, zu überwinden.

Auch in der Jugendbildung stehen wir vor der Herausforderung, dass wir Jugendlichen solche Räume des Austauschs, Erkundens und Lernens aktuell nicht mehr wie gewohnt bieten können, denn Veranstaltungen und Freizeiten fallen aus, Tagungshäuser und Jugendbildungsstätten haben geschlossen. Dies bedeutet vor allem, digitale oder andere Möglichkeiten zu erproben, die sich trotz Kontaktbeschränkungen sinnvoll einsetzen lassen. Annika Schreiter berichtete dazu bereits von ihren Erfahrungen, wie beispielsweise Konfirmandenarbeit digital aussehen kann. Dabei entstehen neue Fragen: Welche digitalen Tools können zum Einsatz kommen? Lässt sich ein ursprünglich dreitägiger Workshop gut in ein Online-Format übersetzen? Und wie können eigentlich analoge Elemente wie Aufwärmübungen ins Digitale überführt werden?

In der letzten Zeit haben sich zu diesen Fragen sehr hilfreiche Online-Runden zum kollegialen Austausch, zur Beratung und Weiterbildung zusammengefunden. Das bundesweite Netzwerk der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et) lädt z.B. regelmäßig zur „digitalen Kaffeerunde“ ein, um Fragen zu klären und über Inhalte zu diskutieren. Im Format „Auf einen Kaffee mit…“ kommen Kolleginnen und Kollegen aus der Jugendbildung mit Expertinnen und Experten zu Themen wie digitaler politischer Bildung, Online-Kursen und Zivilcourage im Netz ins Gespräch. Das Kinder- und Jugendpfarramt der EKM wiederum lädt zur gemeinsamen Beratung zu Online-Stammtischen ein.

Jugendarbeit bedeutet im Moment aber auch, an jenen Planungen für Veranstaltungen weiterzuarbeiten, von denen aktuell noch niemand weiß, ob bzw. wann sie stattfinden werden. Bei aller Ungewissheit, die diese Zeit mit sich bringt, stellt sich gleichsam die spannende Frage, wie sie Themen, Inhalte und Formate der Jugendbildung längerfristig verändern wird. Welche Planungen werden wir auch zukünftig digital statt analog vornehmen? Wie beeinflussen die Pandemie und damit verbundene Einschränkungen Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe, gerade auch für Jugendliche? Es lohnt sich und ist nötig, die Gedanken einmal mehr auf Orte und Räume zu richten, die für Jugendliche wichtig sind, an denen sie sich entfalten und verwirklichen können. Nur dann kann es auch gelingen, ihnen in Zeiten wie diesen gute Alternativen dazu zu ermöglichen.