Am 25. November ist der Gedenktag der heiligen Katharina von Alexandrien. Stationen aus ihrem Leben erzählt der mittelalterliche Altar in der Dorfkirche Middelhagen auf Rügen. Der Legende nach war Katharina die wunderschöne Tochter eines heidnischen Königs. Deshalb trägt sie auch eine goldene Krone.
Im Bild oben links, da reitet sie auf einem weißen Ross zu einem Mann, der aus einem Haus schaut. Dieser Mann ist ein Einsiedler. Er gewinnt Katharina – im Bild oben rechts – für den christlichen Glauben. Man beachte ihre gefalteten Hände. Der Ritter im Hintergrund braucht sich ab jetzt keine Hoffnungen mehr auf sie zu machen. Doch Katharina hatte sowieso keinen ihrer Verehrer gewollt. Sie waren ihr alle nicht schlau genug. Selbst den Sohn des Kaisers soll sie abgelehnt haben, da dieser ihr an Schönheit und Weisheit nicht entsprochen habe. Im Bild unten links erleidet sie dann schon den Tod als Märtyrerin. Und unten rechts ist sie bereits in den Händen der Engel.
Auf der goldenen Festtagsseite sind vier – oder eigentlich nur drei – Stationen aus dem Leben der heiligen Katharina zu sehen. Doch was geschah zwischen dem Händefalten und dem Schwertstreich? Dazu hat Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich vor 10 Tagen im Akademischen Gottesdienst in der Andreaskirche Erfurt gepredigt. Anlässlich des Katharinentages können Sie seine Predigt als Download nachlesen.
Todesangst gehört zum Leben. Doch ist sie verschieden ausgeprägt. Die Psychotherapeutin und Theologin Dr. Jutta Kranich-Rittweger hat über einen Zeitraum von 10 Jahren Einstellungen zu Sterben, Tod und dem Danach erforscht.
Grundlage des Buches, das Anfang Dezember 2020 erscheint, ist eine umfangreiche Befragung von Gesunden und Erkrankten in einer ostdeutschen Großstadt, methodisch unterstützt von Dr. Wolfgang Langer (MLU Halle). Leitfragen waren: Welche Vorstellungen haben Menschen heute vom Ende des Lebens? Was kann die Angst vor dem Tod als dem „Nichts“ reduzieren?
Die Neuerscheinung bietet methodische Zugänge für die psychotherapeutische und seelsorgerliche Praxis zum Umgang mit der Todesangst. In einer dazu spracharmen Zeit finden Erkrankte in einem therapeutischen Prozess Bilder über die Angst hinaus. Ihre hochindividuellen Bilder greifen teils traditionelle, auch christliche Vorstellungen auf: Manche davon halten sich kontinuierlich, andere werden modernisiert oder sind am Verschwinden, wie Mitautor Dr. Sebastian Kranich (Ev. Akademie Thüringen) aufzeigen kann.
Im Vorwort schreibt die Autorin: „Diese Arbeit zum ‚Umgang mit der Todesangst‚ ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen professionellen Arbeit mit überwiegend krebskranken Menschen. Trotzdem bleibt ein solches Unterfangen immer ein Wagnis. Wenn Fragen zur eigenen Endlichkeit und Existenz im seelsorgerlichen und psychotherapeutischen Raum auftreten, ist eine persönliche Auseinandersetzung ebenso nötig wie bei unmittelbar betroffenen Menschen.“
Demokratiebildung und gesellschaftspolitische Bildungsarbeit sind wesentliche Bausteine einer wehrhaften Demokratie und einer starken Zivilgesellschaft. Angebote der politischen Bildung fördern den Diskurs, Meinungsaustausch und laden zur kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft ein. Eben jene Entwicklungen der letzten Jahre zeugen auch von Vertrauensverlusten in das demokratische Wertesystem, die beispielsweise Ausdruck in Wahlergebnissen findet.
Die Corona-Pandemie hat viele Formate mit rasanter Geschwindigkeit in den digitalen Raum geführt, Meetings und auch mehrstündige Veranstaltungen via Videokonferenz gehören inzwischen zum täglichen Erleben. Politische Bildungsarbeit reagiert mit der Anpassung ihrer Angebote darauf.
Welche Ansätze, Herangehensweisen und Ideen werden dabei verfolgt? Wie hat sich politische Bildung verändert und welche Bedarfe bestehen in der Bildungsarbeit aktuell? Welche guten Erfahrungen können geteilt werden, welche Formate haben sich entwickelt und wovon ist vielleicht eher abzuraten?
Zu Fragen wie diesen tauschten sich am 13. November 2020 Akteurinnen und Akteure im Bereich politischer Bildung beim Online-Barcamp „Nichts bleibt, wie es war“ aus.
Bei einem Barcamp werden alle Teilnehmenden zu Teilgebenden und bringen selbst die Inhalte, Fragen, Themen oder Impulse ein, die sie gern mit anderen diskutieren oder teilen möchten. Jede und jeder kann so im Rahmen des Barcamps eine eigene Session anbieten, z.B. in Form eines kleinen Workshops, einer Projektvorstellung oder Gesprächsrunde.
In insgesamt sechs Sessions kamen die Teilnehmenden so unter anderem über Möglichkeiten der Jugendbildung in virtuellen Welten, den Einsatz von Virtual Reality in der Bildung oder hybride Formate – also eine Kombination aus digitaler und analoger Veranstaltung – ins Gespräch. Zudem bestand ein Erfahrungsaustausch über digitale Debattenformate und die Frage, wie Nachhaltigkeit für neue digitale Formate geschaffen werden kann, auch über die Pandemiesituation hinaus.
Dabei zeigte sich vor allem erneut, dass Vernetzung, gegenseitiger Austausch und vielfältige Anregungen, die aus dem Barcamp mitgenommen werden, stärkend und inspirierend für die eigene Bildungspraxis sind.
Jubiläumsveranstaltungen sind bisweilen Pflichtveranstaltungen. Doch wer vom 6. bis 8. November nur Wiederholungen des Altbekannten erwartet hätte, wäre überrascht worden. Schon zu Beginn der Tagung zur Thüringer Kirchengeschichte in Neudietendorf wurde deutlich: Hier geht es um lebendige Geschichte, in historischen wie biografischen Zugängen.
So erinnerte Dr. Sebastian Kranich an den charismatischen Jugendpfarrer Jo Winter, den Kopf der Friedensgruppe „Gewaltlos leben“ und Christina Neuß stellte Johann Samuel Sommer, den ersten Hausmeister der Thüringer evangelischen Kirche in den Mittelpunkt. Anschließend sprach Altbischof Prof. Christoph Kähler über Bekenntnis, Bekennen und Bekennende im Verlauf der Thüringer Kirchengeschichte.
Nach diesem Auftakt ging es durch die Zeiten der Weimarer Republik, der NS- und DDR-Zeit bis hinein in die Jahre nach 1989/90 – ein ambitioniertes und dichtes Programm. Anhand von interessanten und prägenden Gestalten wurden die Etappen der Geschichte abgeschritten. Nach dem ersten Hausmeister wurden nun auch der erste Landesoberpfarrer der Thüringer evangelischen Kirche, Wilhelm Reichhardt, vorgestellt (Dietmar Wiegand) sowie Leben und Politik von Volksbildungsminister Max Greil (Dr. Thomas A. Seidel).
War hier bereits etliches Neues zu erfahren, stieg die Temperatur am Folgetag beim Thema NS-Zeit noch einmal deutlich an. Dr. Susanne Böhm zeigte auf, wie Oberpfarrer Titus Reuter in Greiz theologischen Widerstand gegen die Auflösung von Konfessionalität leistete – doch keinen politischen. Er verteidigte z. B. das Alte Testament aber setzte sich in keiner Weise für jüdische Bürger ein. Ulrich Spengler führte das Agieren und die nachträgliche Selbststilisierung als Opfer des nationalsozialistischen und deutschchristlichen Pfarrers Rudolf Heubel so plastisch vor Augen, dass es erleichternd war, von Dr. Mathias Rost etwas über die aufrichtige und tapfere Pastorin Gertrud Schäfer zu hören.
Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag über Moritz Mitzenheim. Dr. Ehrhart Neubert überraschte viele mit einer kritischen Würdigung des prägenden Thüringer Landesbischofs, die sich so zusammenfassen lässt: Mitzenheim sei seinem Ziel immer treu geblieben, Raum zu schaffen für die Volkskirche. Nur über die dafür jeweils eingesetzten Mittel lässt sich streiten.
Mit der Vorstellung des Dissertationsprojektes „Glaube und Heimat 1946-1989“ durch Karl Christoph Goldammer war dann der Übergang geschaffen für Gespräche über die 1970er Jahre bis zur Gegenwart. Als Zeitzeugen waren hierfür neben Christoph Kähler, Altbischöfin Ilse Junkermann, Propst a.D. Hans Mikosch, Superintendent Ralf-Peter Fuchs und Pfarrerin i.R. Magdalena Seifert angereist. Doch strenggenommen waren fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer Zeitzeugen. So entspannen sich Gespräche mit vielen Perspektiven.
Am Abend des 7. November präsentierten Christina Neuß und Johannes Röder schließlich Tondokumente, Fotos und Filme aus dem Landeskirchenarchiv. Zu hören waren u.a. die Stimmen von Moritz Mitzenheim, Walter Grundmann und Klaus-Peter Hertzsch. Sogar der Hut von Werner Leich wurde präsentiert.
Nach Eisenach ging es dann am Sonntag zum Festgottesdienst in die Georgenkirche, der hier nachzuhören ist:
In moderierten Statements kamen anschließend – als Abschluss der Tagung – Kirchenoberbaurat i.R. Bernd Rüttinger, Prof. Miriam Rose (Uni Jena) und Landesbischof Friedrich Kramer für jeweils sieben Minuten zu Wort: eine Corona-bedingte Kurzfassung der geplanten Podiumsdiskussion.
Am Ende dieser drei Tage zu „100 Jahren Thüringer evangelische Kirche“ waren viele vor allem eines: dankbar und glücklich, dass alles so stattfinden konnte – zwar äußerlich kleiner als geplant, aber inhaltsreich und konzentriert.
Seit vier Jahren findet die Sommerakademie für Plurale Ökonomik im Zinzendorfhaus statt, zuletzt allerdings nur noch online. Auf den ersten Blick eine große Einschränkung, haben sich dadurch neue Möglichkeiten eröffnet: Zahlreiche junge Leute aus Ländern rund um den Erdball haben 2020 teilgenommen. Dies wurde auch durch die Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung ermöglicht, mit deren Hilfe ein Programm für 15 Studierende aus dem Globalen Süden aufgelegt werden konnte: das Global Pluralist Economics Training. Die Studierenden haben an einer Reihe von Online-Seminaren teilgenommen, in denen Grundlagen zum Aufbau von Lokalgruppen, zu Veranstaltungsmanagement, Kampagnenarbeit und Fundraising vermittelt wurden. Daneben haben sie die Online-Sommerakademie erlebt – und jetzt beginnen sie, eigene Seminare, Workshops oder andere Bildungsangebote in ihren Heimatländern zu organisieren.
So veranstaltet Patricia aus Manila aktuell zwei Online-Seminare zum Thema Staatsverschuldung in den Philippinen, während Abdulrasheed in Nigeria zwei Workshops zu den philosophischen und methodologischen Grundlagen der Volkswirtschaftslehre organisiert. In Uganda wird mit Open Economics Uganda ein neues Netzwerk von jungen kritischen Ökonominnen und Ökonomen aufgebaut, um die nachhaltige Entwicklung des Landes zu unterstützen. Und die Gruppe Rethinking Economics The Uploaders lädt zu einem Online-Seminar zur Diskussion der ökonomischen Probleme in Nigeria ein.
Im Kern all dieser Aktivitäten steht die kritische Auseinandersetzung mit den realen wirtschaftlichen Herausforderungen, etwa Armut, soziale Ungleichheit, Klimawandel und Umweltverschmutzung. Gleichzeitig soll der einseitige Fokus der akademischen Ausbildung auf die vorherrschende neoklassische Lehre, die viele reale Probleme ausklammert, um alternative Theorien und Denkschulen ergänzt werden.
Am 31. Oktober 1517 heftete Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche Wittenberg – oder auch nicht. Kaum zu bezweifeln sind hingegen Luthers mystisch-spirituelle Wurzeln. Hans Baldung Grien hat den Reformator 1521 inspiriert von der Taube des Heiligen Geistes dargestellt.
In der Freiheitsschrift vom Jahr zuvor formulierte Luther seine Rechtfertigungstheologie im Bild der mittelalterlichen Brautmystik: „Ist nun das nicht eine fröhliche Wirtschaft, da der reiche, edle, fromme Bräutigam Christus das arme, verachtete, böse Hürlein zur Ehe nimmt und sie entledigt von allem Übel, zieret mit allen Gütern?“
Doch: Wie unterscheidet sich Luthers Mystik von der Leidensmystik Thomas Müntzers? Wie verhalten sich Mystik, Dogmatik und Frömmigkeitspraxis in der zweiten protestantischen Reformbewegung, dem Pietismus zueinander – etwa bei Nikolaus Ludwig von Zinzendorf?
Und im Blick zurück auf die mittelalterliche Mystik sowie im Kirchenjahr voraus: Sind Luther und Meister Eckhart nicht zwei Weihnachtschristen? Für beide ist jedenfalls die Geburt des Sohnes Gottes als Kind in der Krippe zentral – die Inkarnation, das Nahekommen und die bleibende Nähe Gottes. Eckhart schreibt: „Gott geht nimmer in der Ferne, er bleibt ständig in der Nähe, und kann er nicht drinnen bleiben, so entfernt er sich doch nicht weiter als bis vor die Tür.“
Diese und andere Fragen, Thesen und Erkenntnisse standen im Mittelpunkt unserer September-Tagung „Mystik und Widerstand“. Da – unter Corona-Beschränkungen – leider nur 37 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Zinzendorfhaus kommen konnten, stellen wir die Vorträge nun anlässlich des Reformationstags online.