Abellio verbindet – ebenso wie die Kirche. Auf diesen Punkt bringt es Maik Martmer, Betriebsratsvorsitzender der Abellio Rail Mitteldeutschland GmbH. Damit hören die Gemeinsamkeiten nicht auf: Sowohl das Unternehmen als auch die EKM berichten von Herausforderungen bei der Nachwuchsgewinnung, ihren Anstrengungen für den Zugang für alle und ihr Interesse an den Bahnhofsmissionen.
Auch deshalb beginnt der Betriebsbesuch in der ökumenischen Bahnhofsmission in Halberstadt. Ihr Leiter, Constantin Schnee, erläutert, wie wichtig die ehrenamtliche Betreuung für viele Reisende und Hilfesuchende ist. Ob Migranten, allein reisende Kinder oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen: Die Bahnhofsmission hilft, damit sie von der Nutzung des ÖPNV nicht ausgeschlossen sind. Auch dank der guten Vereinbarungen mit dem Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt und den Eisenbahnunternehmen ist es möglich, an sieben Tagen in der Woche für Reisende und Hilfsbedürftige da zu sein – nicht nur in Halberstadt, sondern auch auf den Strecken und Bahnhöfen im Kirchenkreis. Beeindruckend ist das große Engagement der Ehrenamtlichen: Praktikant Christian Bechtold ist den zweiten Tag in der Bahnhofsmission und möchte die ganz konkret helfende Arbeit vor Ort kennenlernen – und damit den ersten Schritt zu seinem Traumberuf Suchtberater machen.
Propst Christoph Hackbeil, Regionalbischof von Stendal-Magdeburg, besucht seit Jahren strukturbestimmende Unternehmen in seinem Propstsprengel, um sich über die Arbeitsbedingungen, die Geschäftsstrategien und die Entwicklungsperspektiven zu informieren. An diesem Tag gilt sein Interesse dem Eisenbahnunternehmen Abellio, das einen großen Teil der Nahverkehrsstrecken in Sachsen-Anhalt und Thüringen bedient. Während der Fahrt im Abellio-Zug nach Halle (Saale) berichtet Geschäftsführerin Carmen Parrino von anfänglichen Startschwierigkeiten, dem schnellen Wachstum und der besonderen Kultur im Unternehmen. Diese wird besonders von den knapp 1.000 Mitarbeitenden geschätzt. Und auf sie ist das Unternehmen noch lange angewiesen: Bevor die Züge vollautomatisch und ohne Fahrzeugführer fahren könnten, so Frau Parrino, sei sie vermutlich schon in Rente.
Forumtheater macht unzufrieden. Es deckt Ungerechtigkeit auf und zwingt einem die Perspektive der Schwachen auf, der Unterdrückten, der Hilflosen. Laien bringen in dieser Theaterform Situationen auf die Bühne, an denen sie etwas ändern möchten. Gemeinsam mit dem Publikum – bzw. dem Forum – wird dann überlegt und ausprobiert, wie sich die Situation im Kleinen verbessern lässt. „Es steckt immer ganz viel Makro im Mikro“, erklärte Referent Till Baumann, Theaterpädagoge und -macher aus Berlin, vergangene Woche im Vertiefungsworkshop „Forumtheater in der politischen Bildung II“. Jede kleine Situation auf der Bühne trägt den gesellschaftlichen Kontext mit seinen Machtstrukturen in sich. Die Mikrostruktur zu ändern hat deshalb auch Bedeutung für das große Ganze. Genau deshalb eignet Forumtheater sich so gut für die politische Bildung. Denn es macht nicht nur unzufrieden, sondern ermutigt auch zum Handeln.
Zum Vertiefungsworkshop trafen sich in der Jugendbildungsstätte Junker Jörg in Eisenach u.a. Engagierte aus politischer Bildung, Gedenkstättenpädagogik und interkultureller Bildung, um weiter an den Möglichkeiten des „Theaters der Unterdrückten“ des brasilianischen Theatermachers Augusto Boal in der politischen Bildung zu arbeiten. Im Zentrum stand Forumtheater, aber Referent Till Baumann gab zusätzlich einen Einblick in weitere Methoden wie Zeitungstheater oder den „Regenbogen der Wünsche“. Allen ist gemein, dass sie sich um die Aufdeckung von Machtverhältnissen drehen und um das Empowerment der Unterdrückten.
Unterdrückung ist ein starkes Wort – für Menschen in der brasilianischen Militärdiktatur der 1970er Jahre klingt es passend, in deren Kontext diese Methoden entwickelt wurden. Für Schauspielerinnen und Pädagogen in Deutschland fühlt es sich 2020 seltsam oder übertrieben an. Und dennoch fanden sich im Workshop genügend Themen, die die Teilnehmenden verändern wollen: Sexismus, Homophobie, eine laute, schrille Medienlandschaft, in der für Mitgefühl kaum Platz scheint… Am Ende des Workshops war daher klar: Es steckt viel Potenzial im „Theater der Unterdrückten“, um sich mit politischen Fragestellungen auseinanderzusetzen und Schauspielende wie Zuschauende zu bestärken, die Welt im Kleinen wie im Großen zu verbessern.
Klein und unbedeutend sind sie nicht, sonst würden sich Wissenschaftlerinnen und Schriftsteller nicht so gerne und ausdauernd mit ihnen beschäftigen… Die Rede ist von den Inseln und ihrer Zukunft. Schon im November widmete sich eine Tagung der Evangelischen Akademie Thüringen unter dem Titel „Niemand ist eine Insel“ den verschiedenen Aspekten von Insularität. Nun fand eine weitere Tagung vom 25. bis 27. Februar am Forschungskolleg Humanwissenschaften in Bad Homburg zum Thema „Die Zukunft der Inseln“ statt.
Auch Studienleiterin Sabine Zubarik von der Evangelischen Akademie Thüringen war dabei vertreten. Ihr Vortrag „Eins ist immer das letzte. Sterbende Tiere in insularen Räumen der Gegenwartsliteratur“ nahm zwei Texte des amerikanischen Autors T.C. Boyle unter die Lupe: In dem 2011 erschienenen Roman „When the killing’s done“ treten im Kampf um das ökologische Gleichgewicht auf den kalifornischen Northern Channel Islands Artenschutz gegen Tierschutz an und scheitern beide im Verlauf der Erzählung an der Unkontrollierbarkeit anlandender bzw. ausgesetzter und sich ausbreitender Tiere. Der neuere Roman „The Terranauts“ von 2016 erzählt das Experiment eines zweijährigen Einschlusses von acht Personen in das tatsächlich in den 1990er Jahren in Arizona in Betrieb genommene geschlossene künstliche Ökosystem „Biosphere 2“. Auch hier steht das empfindliche Gleichgewicht der tierischen und pflanzlichen Arten, aber auch das der isolierten menschlichen Population im Vordergrund.
Andere Beiträge beschäftigten sich unter anderem mit literarischen Erzählungen zum Great Pacific Garbage Patch, mit den Gründungsszenarien der Seasteadings, mit untergehenden Inseln Ozeaniens in Zeiten des Klimawandels, mit dem Auf- und Untertauchen von Inseln auf Karten und der Poetik abgelegener Inseln oder mit archipelagischen Strukturen des Zusammenlebens. Dabei wurden immer wieder Zuschreibungen diskutiert, mit der die Insel als geographischer Raum, aber auch als Metapher oft fälschlich assoziert wird. So sind manche Inseln weder einsam noch abgelegen, sie fallen nicht aus der Zeit und stehen auch nicht grundsätzlich im Gegensatz zum Kontinentalen.
Die Ergebnisse der Tagung sollen in naher Zukunft in einem Sammelband zusammengefasst werden. Organisiert wurde die Tagung von Roland Borgards, Lena Kugler und Mira Shah im Rahmen des Forschungsprojekts Entangled Island Times, das Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Schwerpunktprogramms Ästhetische Eigenzeiten ist.
Trotz aktueller Sorge um Ansteckungsgefahren aufgrund des kursierenden Corona-Virus konnte die Thüringenausstellung auch dieses Jahr ihre Tore öffnen und die hereinströmenden Menschen willkommen heißen. Mittendrin ist, wie schon in den Vorjahren, der gemeinsame Stand der EKM und des Bistums Erfurt aufgebaut. Wer von Halle 1 zu den Hallen 2 und 3 weiter will, kommt daran vorbei, und wen das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz interessiert, der bleibt auch mal stehen.
Am Montag Vormittag hatte die Evangelische Akademie Thüringen ihren Einsatz am Stand. Sabine Zubarik berichtet, was es zu erleben gab: „Ich war sehr gespannt, wie die Voting-Station genutzt werden würde. Es geht um die Frage, ob man zugunsten des Tierwohls bereit wäre, einen höheren Preis für Fleisch zu bezahlen. Anfangs wurden die kleinen Bälle nur sehr zögerlich in die Ja- und Nein-Röhren geworfen, doch gegen Mittag war die Ja-Seite voll und bei Nein lagen nur 2 Stimmen. Das zeigt doch eine klare Tendenz.“
Der Hauptteil des Stands besteht aus informativen Stellblöcken, die von RENN, den Regionalen Netzstellen für Nachhaltigskeitsstrategien, entwickelt wurden. Dort gibt es Fakten, Bilder, Diagramme, Filmclips und Hörbeiträge zu Themen wie CO2-Emissionen und Mobilität, Lebensmittelvergeudung und nachhaltige Zukunft.
Die meisten Interessierten jedoch bleiben einfach am Runden Tisch stehen, unterhalten sich mit den beiden Standbetreuern – nicht nur über die Kirche – und nehmen gern die Postkarten mit, auf deren Rückseite leckere Rezepte der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ zu finden sind, z.B. zur Verarbeitung von nicht mehr ganz frischem Brot in Süßspeisen oder einem Brotsalat.
Was die Kirche auf der Thüringenausstellung, mitten im Verkaufsgetümmel zwischen Gartengeräten, Gesundheitsprodukten und Essständen will? Das, was sie grundsätzlich will: mit Menschen ins Gespräch kommen, hören, worüber sie sich sorgen oder freuen, ansprechbar und präsent sein – auch auf dem Erfurter Messegelände.
Diakonie-Chef Ulrich Lilie erklärt Anfang Februar: Wenn wir im Kampf gegen die Einsamkeit nicht vorankommen, dann werden sich Kliniken und Psychiatrien mit kranken Menschen füllen. Da diese nicht arbeiten, ist ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden zu erwarten. Zudem sind einsame und abgehängte Menschen empfänglicher für extreme Parteien. Doch steht es wirklich so schlimm? Ist Einsamkeit eine „verborgene Epidemie“ (laut Lilie), die hochansteckend um sich greift?
Oder geht es bei diesem Thema in erster Linie um die Gruppe der Hochbetagten, der einsamen Menschen 80+? Auf letztere ist die Arbeit des Bundesfamilienministeriums ausgerichtet, auch wenn es im Koalitionsvertrag heißt, man werde „Strategien und Konzepte entwickeln, die Einsamkeit in allen Altersgruppen vorbeugen und Vereinsamung bekämpfen.“
Die Tagung „Einsamkeit“ vom 21. bis 23. Februar bewegte sich im hier skizzierten gesellschaftspolitischen Spannungsfeld. Nachdem Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich zu Beginn die Pole der Debatte beschrieben hatte, plädierte der Psychologe Dr. Marcus Mund (FSU Jena) zunächst für Begriffsklarheit: Zu unterscheiden seien a) soziale Isolation als objektiver Mangel an sozialen Beziehungen, b) Einsamkeit als subjektiv negativ empfundenes Gefühl, c) Alleinsein als subjektiv positiv empfundenes Gefühl. In der öffentlichen Debatte und auch in der Politik ginge das oft durcheinander. Deren Maßnahmen richteten sich meist gegen soziale Isolation. Einsamkeit sei aber eher mit den Mitteln von Seelsorge und Psychotherapie zu bearbeiten.
Diese Dimension wurde abends in der Lesung der Theologin, Psychotherapeutin und Autorin Dr. Jutta Kranich-Rittweger (Weimar) deutlich. Vier Erzählungen aus ihrem Band „Die Einsamkeit des Kindes“ brachten im Gespräch manches zutage. Nicht zuletzt ging es um das Schicksal von Obdachlosen sowie den Verlust von Vätern im Krieg und um transgenerationelle Weitergabe von Verlassenheitsgefühlen.
Am zweiten Tag der Tagung bestätigte der Soziologe Dr. Janosch Schobin (Universität Kassel) den Forschungsstand der Psychologie: Anders als vielfach vermutet gibt es keine messbare Zunahme von Einsamkeit als Gefühl in Westeuropa. Allerdings machten moderne Gesellschaften sozial isolierter, so seine Auskunft. Vor allem sei Einsamkeit – anders als etwa in Lateinamerika – hier schambesetzt und könne kaum öffentlich benannt werden. Das Problem sei: Einsamkeit werde sozial exkludiert. Zudem schwächten sich in westlichen Gesellschaften die starken familiären und traditionellen Bindungen ab, so dass Menschen im höheren Alter zunehmend allein mit ihrer Einsamkeit wären.
Auf die Wissenschaft folgte die Praxis. Im anschließenden Podiumsgespräch wurden zwei unterschiedliche Praxis-Strategien anschaulich. Pfarrerin Dorothee Herfurth-Rogge (Leiterin der Telefonseelsorge Halle und Vorsitzende der Evangelischen Konferenz für TelefonSeelsorge Deutschland) stellte den Charakter dieser Arbeit vor, der auf garantierter Anonymität fußt und primär seelsorgerlich ausgerichtet ist. Pfarrer Martin Möslein (Erfurt) präsentierte die Projektidee von „Sempers“ (Senioren mit Perspektive im Erfurter Norden) dagegen als primär gegen soziale Isolation und auf den Face-to-Face-Kontakt ausgerichtet: Alte Menschen im Neubaugebiet sollen einmal pro Woche für eine Stunde besucht werden.
In vier Gesprächsgruppen ging es dann um eigene Erfahrungen von Einsamkeit, aber auch darum, wie Projekte gegen Einsamkeit erfolgreich arbeiten und sich vernetzen können. Wie kann etwa in der Telefonseelsorge in Gesprächen auf ein Projekt wie „Sempers“ hingewiesen werden? Wie kann – anders herum – alten, sozial isolierten Menschen die über 24 Stunden am Tag bestehende Möglichkeit eines Anrufs bei der Telefonseelsorge vermittelt werden?
Der zweite Tag klang aus mit einem Konzertgespräch. Der Psychiater und Liedermacher Karl-Heinz-Bomberg (Berlin) präsentierte Lieder, in denen er nicht zuletzt seine eigene DDR-Hafterfahrung verarbeitet. Besonders eindrücklich war der Auftritt von Kathrin Begoin (Weimar), die Isolation, Unterdrückung und Missbrauch im Jugendwerkhof erlebt hat und in ihren Liedern den Opfern eine Stimme gibt.
Der Sonntag war schließlich Formen von einsamem Leben gewidmet, die Menschen selbst suchen. Sei es um kreativ zu sein, sei es aus spirituellen Gründen. Der Film „Einsiedler -– Allein ist nicht genug“ porträtierte vier von ca. 90 Männern und Frauen, die in Deutschland als Eremiten leben. Hier war es besonders interessant zu sehen, wie Menschen, die den Rückzug leben, zugleich intensiv für andere da sind. Das gilt auch für das Leben im Kloster, das der ehemalige Mönch und Politikwissenschaftler Dr. Bernhard Heider (Universität Regensburg), nahebrachte, der zugleich lange als Lehrer arbeitete und jetzt als Dozent in der politischen Philosophie über Gemeinschaft und Gesellschaft forscht und lehrt.
Kann Einsamkeit auch verbinden? So lautete eine Frage in der Einladung zur Tagung. Über 50 Teilnehmende gaben darauf die Antwort: Ja.
Eine Gruppe junger Menschen sitzt am Freitagabend im Kreis beisammen, jeder hält einen Zettel mit dem eigenen Namen in der Hand. „Wer nach 20 Minuten die meisten Zettel hat“, erklärt Annika Schreiter, „darf eine Regel aufstellen, die für alle verbindlich für das Wochenende gilt“. Weitere Informationen gibt es nicht. Es dauert nicht lang und die Anwesenden bringen Vorschläge an und kommen in eine Diskussion, an deren Ende eine Regel für das gemeinsame Miteinander stehen wird.
Vom 21. bis 23. Februar 2020 fand in der Jugendbildungsstätte Junker Jörg das Seminar „Deine Themen – Deine Politik“ statt, in dem es unter anderem um Beteiligung, Mitsprache und – zuweilen herausfordernde – demokratische Prozesse ging. Der Bund der evangelischen Jugend in Mitteldeutschland (bejm) und die Evangelische Akademie rufen gemeinsam das Jugendpolitische Team (JPT) ins Leben. Das JPT soll Ort und Vorhaben gleichermaßen sein, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in politischen Gremien der Jugendverbandsarbeit mehr Raum für Beteiligung zu geben. Themen und Entscheidungen, die junge Menschen (jugendpolitisch) unmittelbar betreffen, sollen von ihnen in die Gremien gebracht und konkrete Projekte geplant werden können.
Im Workshop ging es nun darum, sich auszutauschen, kennenzulernen und Vereinbarungen für die Arbeit an gemeinsamen Vorhaben zu treffen. In Diskussionsrunden, einem Council und Open Space trugen die Teilnehmenden dazu Themen und Ideen zusammen, die sie aktuell beschäftigten und für die es Handlungsbedarf gab. Aus dem gemeinsamen Austausch entstanden so konkrete Planungen unter anderem für das Evangelische Jugendfestival im September, Gestaltungsmöglichkeiten für die Jugendkammer des bejm sowie Unterstützung bei einzelnen Beratungsanliegen der Teilnehmenden.
Das JPT wird künftig im Rahmen thematischer Workshops und individueller Treffen zu Planung, Austausch und Vernetzung weiterarbeiten.