Evangelische Akademie Thüringen

Er, der in göttlicher Gestalt war,hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,  sondernentäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschengleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. ( Phil. 2, 6f.)

Die Entäußerung Gottes, sein Entschluss, Mensch zu werden, ist dasHintergrundthema der allegorischen Einhornjagden, wie sie uns vor allemauf Thüringer Altären begegnen. Wie kommt Gott auf die Erde? Wie wirder verletzlich, damit er für uns sterben kann?

Der Schmerz Gottes und sein Nahesein sind Themen, die auch heute nochMenschen zu berühren vermögen. Das unverletzliche Einhorn lässt sich,folgt man dem antiken Buch Physiologos, von einer Jungfrau anlocken undeinschläfern. Diese legt es an eine Kette.

In dem folgenden tänzerischen Furor reißt sich das Tier sein Horn vomKopf, so dass es die menschlichen Jäger erlegen können. Die Kopfwundeentbirgt einen roten Stein, der Vergiftungen zu heilen vermag.

Diese Legende wurde auf das Christusgeschehen übertragen und in denallegorischen Einhornjagden auf zahlreichen Altären dargestellt. Erstdas Tridentinum (1545-1563) verbot die Darstellung als lächerlich("ridiculus").

Seit dem scheint das Thema in Thüringen tabuisiert, obwohl es nirgendsso viele Einhorndarstellungen gibt. Gleichzeitig ist das Einhornmotivin der populären Kultur weit verbreitet. Zahlreiche Funde im "worldwide web" zeugen von der ungebrochenen Faszination des starken Tieresmit der sanften Energie.

Auf der Suche nach einer protestantischen
Einhorn-Theologie befasst sich diese Tagung mit künstlerischen,historischen und natürlich auch evolutionsbiologischenTatsachenbefunden,
wozu ich herzlich einlade!

Frank Hiddemann, Evangelische Akademie Thüringen